Klare Sache

Erfahrung ermöglicht es dem Anlagenpersonal, Messwerte rasch zu beurteilen. Künftig könnte Maschinelles Lernen helfen, Handlungsbedarf zu erkennen. Endress+Hauser arbeitet an einem solchen Assistenzsystem für die Flüssigkeits­ analyse.

Text: Christine Böhringer
Illustration: Teresa Wagner
E+H

Kann ich dem Mess­ wert vertrauen? Diese Frage stellt sich das Betriebspersonal in Anlagen der Wasserwirtschaft immer wieder. „Die Mitarbeitenden in der Leitwarte müssen ständig alle Kurven etwa für Trübung, pH oder Leitfähigkeit im Blick behalten. Sie entscheiden dann aufgrund ihrer Erfahrung, ob sich die Messwerte für diese Anwendung in der üblichen Bandbreite bewegen“, erklärt Lars Bondzio, Business Development Manager im Endress+Hauser Kompetenzzentrum für Flüssigkeits­ analyse. Gibt’s Ausreißer oder andere Auffälligkeiten, kann das auf Probleme im Prozess hinweisen – oder auf Belagsbildung, Drifts und Alterung der Sensoren.

„Aber die Fülle an Messwerten, die das Anlagenpersonal beurteilen muss, kann überwältigend sein“, weiß Julia Mildner, Leiterin der Gruppe Service Innovation. Hinzu kommt der Fachkräftemangel: Immer häufiger müssen Schichten ausgedünnt werden, fehlt es an erfahrenen Mit­ arbeitenden. Endress+Hauser möchte hier mit einem intelligenten Assistenzsystem unterstützen: Machine­ Learning­Algorithmen sollen das Erfahrungswissen des Anlagenpersonals abbilden und automatisiert jeden Messwert daraufhin prüfen, ob er plausibel ist. Dafür bezieht die KI auch historische Messwerte sowie Diagnose­ und Verifikationsinformationen aus den Sensoren mit ein, ebenso Umweltdaten. „Die Algorithmen könnten zum Beispiel erkennen, ob hohe Trübungswerte durch Stark­ regen verursacht sind, also alles im grünen Bereich ist, oder ob Handlungsbedarf besteht“, sagt Julia Mildner.

Die neue Lösung zur Plausibilitätsprüfung hat sich in Pro­ jekten mit Wasserversorgern als zukunftweisend erwiesen und wird nun unter dem Namen Netilion Liquiline Assist zur Produktreife weiterentwickelt. „Anwender sehen darin einen großen Mehrwert“, sagt André Lemke, Produkt­ manager Digital Portfolio. Messdaten werden so in ver­ ständliche Informationen umgewandelt, auf deren Grund­ lage Mitarbeitende richtig handeln können. Auch die Verfügbarkeit der Messstellen könnte sich durch Einbezug der Sensordaten erhöhen, weil Diagnosen nicht unter­ gehen und Trends sichtbar werden. Zudem könnte der Plausibilitätsindex als Qualitätsparameter dienen, so dass seltener Vergleichsmessungen im Feld nötig sind.

„Das Beispiel zeigt auch, wie groß die Innovationszeiträume für technische Veränderungen in der Wasserwirtschaft sind“, sagt Dr. Achim Gahr. Der Business Development Manager legte bei Endress+Hauser schon vor über zehn Jahren die Grundlagen, um Messwerte automatisiert zu prüfen. „Dank Digitalisierung und Maschinellem Lernen können wir jetzt endlich solche Assistenzsysteme verwirk­ lichen.“

BLICK IN DIE ZUKUNFT: SO KÖNNTE NETILION LIQUILINE ASSIST FUNKTIONIEREN
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Analysepanels überwachen die Qualität von Trinkwasser beim Fördern und Verteilen. Dabei erfassen Sensoren kritische Parameter wie Trübung (NTU), pH-Wert und Leitfähigkeit (μS/cm).

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Der Liquiline-Messumformer aggregiert die Daten und schickt sie über ein Edge Device in die Endress+Hauser Netilion Cloud.

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In der Cloud analysieren Machine-Learning-Algorithmen jeden Messwert auf seine Plausibilität – gespeist unter anderem aus den Erfahrungswerten des Anlagenpersonals.

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Das Dashboard zeigt auf einer Landkarte, ob Anlagen im grünen Bereich laufen. Falls nicht, genügt ein Klick, um die verantwortliche Messstelle zu finden.