Bitte nicht stören

Geopolitische Spannungen und komplexe Regularien, Ressourcenmangel und Produktionsengpässe: Der Druck auf globale Lieferketten wächst. Mit Transparenz sorgt Endress+Hauser für Effizienz und Stabilität – bei Kunden und im eigenen Unternehmen.

Fragen: Christine Böhringer
Fotografie: Andreas Mader
Corporate director of supply chain Oliver Blum

RESILIENZ

Viele Lieferketten haben den Ausnahmesituationen der vergangenen Jahre nicht standgehalten. Wie stellt Endress+Hauser sicher, dass Produkte schnell und zuverlässig die Kunden erreichen, obwohl fast jedes Gerät ein Einzelstück ist und das Auftragsvolumen wächst?   


Trotz ihrer Komplexität und des zunehmenden Drucks von außen ist unsere Lieferkette erstaunlich effizient und stabil. Das hat viel damit zu tun, dass Endress+Hauser ein Familienunternehmen ist. Einerseits wollen wir langfristig und nachhaltig wachsen und investieren deshalb den größten Teil des Gewinns wieder ins Unternehmen – auch in unsere integrierte Supply Chain. Dort haben wir über viele Jahre Infrastruktur und IT ausgebaut und alle Prozesse transparent gemacht, standardisiert und digitalisiert. Zum anderen sind uns aufgrund unserer Werte langfristige Partnerschaften auf Augenhöhe mit unseren Lieferanten und Dienstleistern wichtig. All dies bildet die Basis für unsere Resilienz als Unternehmen, also unsere Fähigkeit, Störungen abzufedern oder gut zu überstehen.    


Worin zeigt sich diese Resilienz? 

Selbst in den Krisen der vergangenen Jahre waren wir in der Regel immer lieferfähig – auch 2021, als die weltweite Materialknappheit auf dem Höchststand war. Selbst dann erreichten über 90 Prozent aller Lieferungen unsere Kunden zum versprochenen Zeitpunkt. Wir hatten immer Luftfrachtkapazitäten, konnten Materialengpässe überbrücken und Produktionsverzögerungen auf der letzten Meile durch unser globales Transportnetzwerk ausgleichen. Die regionale Distribution erfolgt heute auf fast allen Kontinenten, auf denen wir produzieren, über Logistik-Hubs. Dorthin wird die versandfertige Ware transportiert. Algorithmen steuern dann den Versand und finden für jede Lieferung den idealen Dienstleister. Eine zeitkritische Lieferung erhält automatisch immer den höchsten Servicegrad.


Wie gelingt es Ihnen, Effizienz und Resilienz in Ihrer Lieferkette zu verbinden?

Wir stellen die Bedürfnisse unserer Kunden in den Mittelpunkt. Sie wollen kurze Lieferzeiten, eine zuverlässige und lokale Lieferung. Und sie wollen jederzeit volle Transparenz über ihren Auftrag. Um noch besser zu werden, erheben wir globale Kennzahlen, sammeln Erfahrungen aus dem weltweiten Endress+Hauser Netzwerk und bitten unsere Kunden nach jeder Lieferung um Feedback. Alle Erkenntnisse lassen wir mit agilen Methoden sofort in die Supply Chain einfließen. Mit diesem Vorgehen stärken wir die Wirtschaftlichkeit, die Durchgängigkeit und die Nachhaltigkeit unserer Supply Chain. Gleichzeitig können wir flexibel auf unvorhersehbare Situationen reagieren.  
 

Treibende Kraft

Oliver Blum (47) koordiniert mit seinem Team die globale Supply Chain von Endress+Hauser und entwickelt sie weiter. Der Betriebswirt arbeitet seit 20 Jahren in der Unternehmensgruppe und hat ein Faible fürs Messen, denn Messen schafft Transparenz und Transparenz ermöglicht Optimierungen. Den Anspruch, jeden Tag besser zu werden, stellt der Supply-Chain-Experte auch an sich selbst – zum Beispiel bei seinem Hobby, dem Fußballspielen. Außerdem hat er sich gerade an der MIT Sloan School of Management weitergebildet, unter anderem in agilen Methoden. 

> 2.9Mio.

Sensoren und Systeme hat Endress+Hauser 2023 ausgeliefert.

Inwiefern hilft die Digitalisierung?

Digitalisierung und KI spielen heute schon eine große Rolle und werden in Zukunft noch wichtiger für globale Lieferketten – auch aufgrund steigender Risiken und gesetzlicher Anforderungen. Die Digitalisierung unterstützt uns hier, indem wir Angebote bereits im Vorfeld automatisch auf Compliance prüfen. Mit einer Software screenen wir neue Regulierungen auf ihre Relevanz für unser Geschäft. Und für die Überwachung unserer Lieferkette hinsichtlich operativer, finanzieller und rechtlicher Risiken, auch im Zusammenhang mit dem Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, nutzen wir eine spezifische IT-Plattform.

 

Welche Themen werden Sie in den nächsten Jahren am meisten beschäftigen?

Unser Ziel ist es, bis 2027 eine Liefertreue von über 96 Prozent zu erreichen. Zudem gilt es, mit dem künftigen Wachstum Schritt zu halten und unsere Supply Chain zu skalieren. Auch das Thema Nachhaltigkeit wird eine wichtige Rolle spielen. Endress+Hauser will die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null reduzieren. Da wir in unseren Messgeräten viel Stahl und Aluminium verbauen, entstehen viele Emissionen in der Beschaffung. Auch hier helfen die Digitalisierung und die Art und Weise, wie wir unsere Partnerschaften pflegen. Denn Klimaneutralität lässt sich nicht von heute auf morgen erreichen, sondern nur durch langfristige Zusammenarbeit.