„Starke Marken tragen den Wandel“

Welche Auswirkungen hat das sich ändernde Verbraucherverhalten auf den weltgrößten Lebensmittelkonzern? Magdi Batato, Head of Operations bei Nestlé, erklärt im Gespräch mit Matthias Altendorf, warum dabei die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden muss.

Fragen: Martin Raab
Fotos: Christoph Fein
„Starke Marken tragen  den Wandel“

Herr Batato, Sie haben den Großteil Ihrer Karriere bei Nestlé verbracht. Was macht das Unternehmen für Sie einzigartig? 

Batato: Am erstaunlichsten ist in meinen Augen die Veränderungsbereitschaft von Nestlé. Uns gibt es seit 150 Jahren, und wir wollen noch mindestens 150 weitere Jahre fortbestehen. Aber das ist leichter gesagt als getan, denn das erfordert hohe Anpassungsfähigkeit. Hier liegt, denke ich, die große Stärke von Nestlé: Über all die Jahre waren wir imstande, uns an äußere Veränderungen anzupassen. 

 

Diese Fähigkeit muss momentan sehr gefragt sein, denn Nestlé steht in vielen Bereichen vor Herausforderungen. 

Batato: Besonders das Konsumentenverhalten hat sich geändert. Die Millennials wollen mehr Vielfalt und Innovation, gesunde und natürliche Produkte aus frischen Zutaten, die schmecken. Diese jüngere Generation von Verbrauchern ist auch sehr digital unterwegs. Damit wird E-Commerce für uns immer wichtiger. Und wir müssen die vierte industrielle Revolution nutzen, um die richtigen Produkte in der richtigen Qualität zur richtigen Zeit auf den richtigen Kanälen bereitstellen zu können. Vor uns liegt eine spannende Reise. Aber wenn ich sehe, wie gut wir uns in den vergangenen 150 Jahren angepasst haben, dann bin ich mir sicher, das wird uns in einem sich wandelnden geschäftlichen Umfeld zugutekommen. Wir sind ein Unternehmen mit starken Marken. Und starke Marken tragen den Wandel, denn sie lassen sich weiterentwickeln! 

„Für sich alleine kommt keiner ans Ziel. Wir müssen zusammenarbeiten. Unser Erfolg im Markt ist auch der Erfolg unserer Zulieferer!“

Magdi Batato, Generaldirektor und Head of Operations bei Nestlé

Magdi Batato

Generaldirektor und Head of Operations bei Nestlé

Herr Altendorf, Sie haben Ihre Karriere vor über 30 Jahren als Lehrling begonnen. Wie hat sich das Geschäft seither verändert? 

Altendorf: Der Fall des Eisernen Vorhangs war eine Zäsur. Zusammen mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas hat das unsere Welt politisch und ökonomisch drastisch verändert. Das hat riesige neue Märkte geöffnet, das Wachstum beschleunigt und Veränderungen im globalen Machtgefüge angestoßen. Diese Prozesse wirken bis heute. Aus technischer Sicht haben in dieser Zeit Computer und Mikroprozessoren den Wandel vorangetrieben. Mit der ganzen Rechenkraft und Intelligenz in unseren Produkten generieren wir eine immense Fülle von Informationen, die alles viel transparenter machen. Die digitale Transformation ist noch voll im Gang. Sie hat unserer Branche und die Anlagen unserer Kunden gerade erst erreicht.  

 

Was ist aktuell die größte Herausforderung für Nestlé? 

Batato: Wenn Sie mitten in der Veränderung stecken, denken Sie immer, dass dies die größte Herausforderung überhaupt ist. Aber unsere Ruheständler würden darüber nur milde lächeln – denn vor 30 Jahren mussten auch sie Aufgaben bewältigen, die für das Unternehmen damals eine große Herausforderung waren. Wir mussten und müssen uns immer an unser Umfeld anpassen. Eine Herausforderung besteht definitiv darin, das künftige Wachstum zu sichern. Wir wollen bei Ernährung, Gesundheit und Wellness die Marktführung übernehmen und investieren daher schwerpunktmäßig in diese Bereiche. Zudem müssen wir auf Verbraucher eingehen, die immer häufiger wissen wollen, was die Produkte enthalten, woher die Zutaten stammen oder wie sie hergestellt werden. 

 

Manchmal hat man den Eindruck, als wäre alles Marketing… Wie wichtig ist Fertigungskompetenz für Nestlé? 

Batato: Marketing ist wichtig, aber hinter einer erfolgreichen Marke steckt viel mehr. Nehmen wir ein Produkt wie Nespresso, mit Kaffee etwa aus Äthiopien oder Kolumbien: Von der Bohne bis zur Tasse ist es ein langer Prozess. Für eine nachhaltige Wertschöpfungskette müssen wir unser ganzes betriebliches Wissen und Können einbringen und auch die ökologische Dimension integrieren. 

Altendorf: Und entlang der gesamten Wertschöpfungskette unterstützen wir Nestlé: Im Labor helfen wir, die Feuchte der Bohnen zu messen, analysieren ihre Inhaltsstoffe oder ermitteln den Reifegrad. In der Produktion lässt sich mit unserer Prozessmesstechnik jeder Schritt von der Verarbeitung der Bohnen bis hin zur Verpackung des Kaffeepulvers überwachen und steuern. Es gibt viel zu tun, ehe das Marketing überhaupt loslegen kann! 

 

Wie kann Endress+Hauser für Kunden wie Nestlé Nutzen generieren? 

Altendorf: Bei unserem ersten Treffen hat Herr Batato zu mir gesagt, Nestlé muss schneller werden, besser und wirtschaftlicher. Endress+Hauser kann helfen, auf diesem Weg schneller voranzukommen. Erstens unterstützen wir mit unseren Mitarbeitern. Wo immer Nestlé ein Werk hat, sind wir nicht weit, denn wir sind weltweit präsent. Zweitens liefern wir modernste Messtechnik. Wir haben ein umfassendes Angebot für die Lebensmittelindustrie, segmentiert für unterschiedlichste Anwendungen. Und drittens kennen wir die Branche und ihre speziellen Anforderungen. Wir können Nestlé dabei unterstützen, dass Produkte den Qualitätsstandards, den Erwartungen der Kunden und den Vorschriften für Lebensmittelsicherheit entsprechen. 

Batato: Wir vergessen gerne, dass Lebensmittelsicherheit grundlegend ist. Selbstverständlich macht Mess- und Automatisierungstechnik unsere Lebensmittel sicherer! 

Topmanager

Dr. Magdi Batato ist seit 2015 Mitglied im Vorstand von Nestlé. Als Head of Operations verantwortet er Einkauf, Fertigung, Lieferkette, Engineering, Qualitätsmanagement, Landwirtschaft, Wasservorkommen, Arbeitsschutz und Sicherheit, Umweltschutz und operative Strategie. Der Schweizer Staatsbürger, 1959 in Ägypten geboren, hat an der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne Maschinenbau studiert und in Thermodynamik promoviert; dazu verfügt er über Abschlüsse von IMD (Schweiz) und INSEAD (Frankreich). Er arbeitet seit 1991 beim weltgrößten Lebensmittelkonzern. Nestlé wurde 1867 gegründet und ist eine Ikone der Branche. Mit über 2.000 Marken – von Lebensmitteln und Getränken über medizinische Ernährung bis hin zu Hautpflegeprodukten und Tiernahrung – erzielte das Unternehmen 2017 mehr als 90 Milliarden Schweizer Franken Umsatz und beschäftigte weltweit über 300.000 Mitarbeiter. 

Welche Rolle spielen Zulieferer wie Endress+Hauser für Sie? 

Batato: Unsere Kunden wollen, dass wir sie pünktlich, vollständig, kostengünstig und den Spezifikation entsprechend beliefern. Das bedeutet, auch alle unsere Zulieferer müssen diese Anforderungen erfüllen. Wir betrachten die Zusammenarbeit mit Endress+Hauser als eine Partnerschaft. Für sich alleine kommt keiner ans Ziel. Wir müssen zusammenarbeiten, verstehen, was notwendig ist, und Lösungen finden. Unser Erfolg im Markt ist auch der Erfolg unserer Zulieferer! 

 

Welche Vorzüge bietet eine enge Zusammenarbeit mit Endress+Hauser? 

Altendorf: Es ist wichtig, über eine einfache Käufer-/Lieferantenbeziehung hinauszugehen, denn nur in einer Partnerschaft entstehen Innovationen und dadurch Mehrwert für unsere Kunden. Je enger wir zusammenarbeiten, desto besser erkennen wir die Bedürfnisse unserer Kunden und mögliche Verbesserungspotenziale. In dieser Hinsicht ist unsere Beziehung mit Nestlé sehr stark, verlässlich und stabil. Wir teilen gemeinsame Ziele und haben mit der Zeit gegenseitiges Verständnis entwickelt. Immer wieder arbeiten wir zusammen an speziellen Themen und Entwicklungen. Wie schon unser Unternehmensgründer gesagt hat: Wir dienen unseren Kunden und lernen von ihnen – und werden so besser in dem, was wir tun. Ohne diese Einstellung wären wir in der Lebensmittelindustrie heute nicht so erfolgreich! 

 

Wie wichtig ist Innovation für Nestlé? 

Batato: Nestlé ist ein Unternehmen mit starken Marken, aber auch ein produzierendes Unternehmen mit vielen Kernkompetenzen und wissenschaftlichem Hintergrund. In manchen Produktkategorien entwickeln wir sogar unsere eigenen Technologien, wenn wir darin einen Wettbewerbsvorteil sehen. Prozessinnovationen verbessern unsere Anpassungsfähigkeit und damit unsere Flexibilität – zum Beispiel durch kleinere Chargen oder schnellere Umrüstzeiten. Auch Effizienz ist ein Thema. Wir wollen möglichst stark von der Industrie 4.0 profitieren, beispielsweise durch vorausschauende Wartung. 

 

Nestlé wurde hier in Vevey gegründet. Wie wichtig ist Ihnen die eigene Geschichte?  

Batato: Hier hat alles angefangen. Das Unternehmen hat starke Bande zu diesem Ort, was aber nicht bedeutet, dass Nestlé ein Schweizer Unternehmen ist. Wir verstehen uns als multinationales Unternehmen. An unserem Hauptsitz hören Sie viele verschiedene Sprachen, denn hier arbeiten Menschen aus zig Ländern. Diversität ist einer der Gründe für unseren Erfolg, ebenso unsere Weltoffenheit.  

Altendorf: Diversität schützt, denn dadurch wird ein Unternehmen weniger anfällig für äußere Einflüsse. Sie bringt zwar mehr Komplexität mit sich, erhöht aber Produktivität, Innovationskraft, Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenbindung. 

 

Was kann Endress+Hauser von Nestlé lernen? 

Altendorf: Zunächst einmal möchten wir eines Tages ebenfalls – so wie Nestlé im vergangenen Jahr – unseren 150. Geburtstag feiern… auch wenn ich dann wohl nicht dabei sein kann! (Lacht.) Das Jubiläum zeigt, dass sich die Firmenkultur von Nestlé auf starke Werte stützt und auch turbulente Zeiten übersteht. In dieser Hinsicht können wir von Nestlé viel darüber lernen, wie sich ein Unternehmen ständig weiterentwickelt und doch seinen Kern bewahrt. Nestlé hat sich immer sehr nachhaltig an die Bedürfnisse der Kunden angepasst. Das ist eine große Leistung; das wollen wir auch erreichen!