Smartes Wasser

In der philippinischen Megametropole Manila ist die Wasserversorgung eine Mammutaufgabe. Das Unternehmen Maynilad stellt sich der Heraus­ forderung mit dem Einsatz von intelligenten Daten­ modellen und der konsequenten Digitalisierung seiner Infrastruktur.

Text: Alan Robles, Robert Habi
Fotografie: Joseph Lynch
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Sauberes Wasser für Manila: Die Parañaque Wasseraufbereitungsanlage ist die größte im Anlagenpark von Maynilad.

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Ivan Louie Villar (links) ist der zentrale Ansprechpartner für Maynilad bei Endress+Hauser.

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Das Konzessionsgebiet des Wasserversorgers wächst genauso wie die Megametropole Manila.

Dr. Francisco Castillo schaut auf seinen Laptop. Er überfliegt ein paar Zahlen auf einem Dashboard. „Über Quezon City wird es morgen gegen Mittag nieseln“, sagt er schließlich. Dass der Senior Vice President und Chief Informa­tion Officer des größten Wasserversorgers der Philippinen sich mit Wetter­ vorhersagen beschäftigt, erscheint im ersten Moment ungewöhnlich. Doch tatsächlich sind Daten wie diese Teil des Geschäftsmodells von Maynilad Water Services Inc. (Maynilad). „Wir haben vor zwei Jahren begonnen, uns mehr mit dem Wetter zu befassen. Nun können wir präzise vorhersagen, wie der Wasserstand in unseren Reservoirs sein wird und ob wir dort Wasser entnehmen können“, erklärt Francisco Castillo. Das Unternehmen bezieht sein Rohwasser vor allem aus dem Angat Damm und dem größten See des Landes im Südosten Manilas.

Für exakte Prognosen haben Francisco Castillo und sein Team sogar eigene Wetterstationen aufgestellt: kleine Einheiten mit einem Solarpanel, Wind­ fahne, Niederschlagsmesser, Temperaturfühler und Windmesser, die ihre Informationen per Satellitenfunk übertragen. Der Grund ist einfach: „Bei unseren Wasserquellen in den Bergen erfasst niemand sonst Wetterdaten“, so Francisco Castillo. Eigene, fortschrittliche Lösungen – auch abseits des eigenen Anlagenparks – zu finden, gehört eben zum Weg von Maynilad. Seit zehn Jahren verfolgt das Unternehmen konsequent die Strategie, die Betriebstechnologie (OT) aller Anlagen zu digitalisieren und mit der Informations­ technologie (IT) zu verbinden. Maynilad will so den eigenen Auftrag noch effizienter erfüllen: Wasser und Abwasser für 10,3 Millionen Menschen in 17 Städten und Gemeinden im westlichen Großraum Manila zu managen.

„Wenn wir ein Problem mit
KI schneller lösen können
und das im Kostenrahmen
steht, werden wir sie nutzen.“

Francisco Castillo,

Senior Vice President und Chief Information Officer Maynilad

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186Millionen

Liter Wasser werden jeden Tag von Maynilad aufbereitet

Alles unter Kontrolle

Wie wertvoll diese Arbeit ist, offenbart ein Besuch im zentralen Kontrollraum von Maynilad in Quezon City, einer Stadt, die zur Metropolregion Manila gehört. Es herrscht konzentrierte Stille. Ergonomische Stühle vor großen Displays, darauf eine Fülle von Informationen – alles erinnert an eine Kommandobrücke. Ab und an blinken in digitalen Karten kleine Warnlichter rot auf. Von diesem Raum aus überwachen die Mitarbeitenden rund um die Uhr das gesamte Netz­ werk von Maynilad. Es umfasst fünf Wasseraufbereitungsanlagen, dutzende Pumpstationen, Kläranlagen, Wasserreservoirs und allein über 7.500 Kilometer Wasserrohrleitungen. Alles läuft hoch automatisiert; die Mitarbeitenden greifen nur ein, wenn Störungen auftreten oder Handlungsbedarf besteht – etwa wenn es in einem Bereich einen Druckabfall gibt und Wasser aus einem anderen Gebiet umgeleitet werden muss.

Francisco Castillo deutet auf einen der Bildschirme: „Wir müssen analysieren können, wo wir aufgrund von Lecks oder illegalen Anschlüssen Wasser ver­ lieren. Die Datenerfassung hilft uns dabei enorm.“ Die ständig fortschreitende Digitalisierung leistet allerdings noch mehr. „Wir sind dadurch in der Lage, den Status aller unserer Anlagenkomponenten zu sehen, die fast ohne Aus­ nahme in Echtzeit online sind – Pumpen, Antriebe, Ventile und natürlich die Messtechnik: Sensoren für Durchfluss, Füllstand, Druck, Temperatur und Flüssigkeitsanalyse. Da entstehen jede Menge Daten, oft im Sekunden­ oder Millisekunden­Takt. Wir haben praktisch von jedem Smartphone aus Zugriff darauf, wie wir es brauchen.“

Die Pandemie als Treiber

Dass das Unternehmen diesen Weg schon früh eingeschlagen hat, hängt eng mit Francisco Castillo zusammen, und auch mit der Messtechnik von Endress+Hauser. Der Anstoß zur Veränderung findet sich im Jahr 2011. „Der Begriff Industrial Internet of Things war zu dieser Zeit noch kaum bekannt. Es gab keine Integration von IT und OT. Deshalb war es schwer, Informationen aus den betriebstechnischen Anlagen herauszubekommen“, erinnert sich Castillo. Damals fuhren die Maynilad­Ingenieure von Anlage zu Anlage, um per USB­Stick Daten zu sammeln. Probleme konnten sie erst mit Verzögerung erkennen.

Als Maynilad dann die Anlage eines Vertragspartners mit lückenhafter Doku­ mentation übernahm, entschied sich Castillos Team, alle wichtigen tech­ nischen Informationen der neuen Anlage von Hand zu digitalisieren und gleich­ zeitig einen zentralen Speicherort einzurichten. „Wir dachten uns: Warum nicht alle technischen Daten am gleichen Ort sammeln? Aus dieser Idee heraus haben wir unsere eigene IIoT­Plattform entwickelt.“ In der Umsetzung bedeutete das, schrittweise jede Anlage mit Edge Devices auszustatten, die möglichst saubere Daten weiterleiten. Insgesamt kamen so mehr als 300.000 einzelne Datenpunkte zusammen – Messwerte, Zustandsmeldungen und vieles mehr. Die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform sind laut Castillo meist Ingenieure. „Wir stellen die technische Plattform samt den Daten – die User können sich daraus eigene Dashboards zusammenstellen, denn sie wissen am besten, was sie brauchen.“ Die Plattform liefert die Daten, die im Kontrollraum zusammen mit dem Leitsystem den Anlagenbetrieb einfacher machen.

Einen entscheidenden Schub erhielt die Digitalisierung bei Maynilad während der Corona­Pandemie. Die philippinische Regierung verhängte 2020 einen der weltweit strengsten Lockdowns. Die Wartungsteams konnten daher nur selten zu den Anlagen fahren. Francisco Castillo sagt: „Die IIoT­Plattform hat uns viel Zeit gespart, denn unsere Techniker mussten nur in dringenden Wartungsfällen vor Ort sein. Der größte Teil der Analyse konnte aus der Ferne erfolgen.“

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Über eine IIoT-Plattform stellt Maynilad Anlagen- und Prozessdaten auf Dashboards bereit. Im zentralen Kontrollraum blickt ein Team rund um die Uhr
auf den gesamten Anlagenpark.

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Viele Maynilad-Anlagen laufen komplett automatisiert und speisen ihre Daten in Echtzeit ins System.

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Jeder Nutzer bekommt über sein Dashboard die für ihn relevanten Informationen. Das können Wassermengen sein, aber auch Zustandsdaten von einzelnen Geräten.

Philippinen Manila

Grün = Versorgungsgebiet von Maynilad

1 Ipo-Staudamm
2 Angat-Staudamm
3 Laguna de Bay (Süßwassersee; größte Wasserquelle)

Messetechnik schafft gute Datenbasis

Die unverzichtbare Grundlage für die Analysen sind zuverlässige Daten in hoher Qualität. Dafür braucht es auch verlässliche Messtechnik. Kim Rean Estrada leitet die Instandhaltung der Abwasseraufbereitungsanlagen bei Maynilad. Er erklärt: „Unser Fahrplan besteht darin, alle Anlagen von Nord nach Süd zu automatisieren, zu digitalisieren und sie mit unserem Leitstand zu verbinden.“ Dabei spielt Endress+Hauser eine wichtige Rolle, denn die Messgeräte des Unternehmens arbeiten zuverlässig, liefern immer genaue Messwerte und verursachen damit keine Datenlecks, was für die Wasserversorgung enorm wichtig ist.

Kommt es zu einer Störung, muss schnell Abhilfe geschaffen werden. „Derzeit verursachen Elektro­ und Messgeräte, für die es keinen lokalen Support gibt, die größten Probleme. Bei Endress+Hauser haben wir aber immer Unter­ stützung, und Ersatzteile sind auch immer verfügbar“, erklärt Kim Rean Estrada. Deshalb hat Maynilad bereits rund 1.000 Endress+Hauser­Instrumente installiert. Dabei ist die gesamte Produktpalette im Einsatz: Messtechnik
für Durchfluss, Druck, Füllstand, Temperatur und die Flüssigkeitsanalyse.

Das gilt auch für die größte Maynilad­Anlage, die Wasseraufbereitung in Parañaque. Hier laufen mehrere Abwasserströme zusammen, die mit ver­ schiedenen Reinigungsverfahren aufbereitet werden, bevor das Wasser wieder in die Umwelt abgeleitet wird.

 

 

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WASSERMANAGEMENT FÜR MILLIONEN

Maynilad Water Services Inc. ist nach der Zahl der versorgten Menschen der größte Wasserversorger der Philippinen. 17 Städte und Kommunen im westlichen Großraum Manila sind angeschlossen. Dabei wächst die Zahl der Menschen im Konzessionsgebiet schnell: Im Jahr 2011 waren es 8 Millionen, heute sind bereits 10,3 Millionen Menschen. Mit Endress+Hauser verbindet das Unternehmen eine langjährige Partnerschaft. Heute ist nahezu das gesamte Endress+Hauser Produktportfolio bei Maynilad im Einsatz.

„Bei Endress+Hauser haben wir
durchgehend Unterstützung, und
Ersatzteile sind immer verfügbar.“

Kim Rean Estrada,

Leiter der Instandhaltung der Abwasseraufbereitungsanlagen bei Maynilad

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Die Endress+Hauser Messgeräte laufen zuverlässig, erzeugen viele Daten und können digital kommunizieren.

Auf einer Metallbrücke über einem der Aufbereitungsbecken steht in der Mittagssonne Jerahmeel Andrew Layco. Der Leiter der Abteilung für Automatisierung und Instrumentierung schätzt die Innovationskraft von Endress+Hauser: „Endress+Hauser deckt die meisten Parameter ab, die wir messen, und das Unternehmen arbeitet ständig an neuen Entwicklungen.“ Als Beispiel nennt er die „0 x DN Full Bore“­Technologie. Sie ermöglicht auf engstem Raum den Einbau magnetisch­induktiver Durchflussmessgeräte, die nicht den üblichen Abstand zum nächsten Rohrbogen benötigen. „Das ist die perfekte Lösung für unsere besonders verwinkelten Anlagen“, sagt Jerahmeel Andrew Layco. Da die Geräte von Endress+Hauser zudem alle digital kommu­ nizieren können, sei Endress+Hauser vor allem in neuen Maynilad­Anlagen der Partner der Wahl.

Wenn Jerahmeel Andrew Layco über neue Entwicklungen oder Services sprechen will, macht er das mit Ivan Louie Villar. Er ist bei Endress+Hauser in Manila der zentrale Ansprechpartner für Maynilad. Der Business Development Manager sieht in den mit Heartbeat Technology ausgestatteten intelligenten Feldgeräten von Endress+Hauser weitere Chancen auf Effizienzsteigerungen für das technologieoffene Unternehmen: „Mit Heartbeat Technology prüfen sich die Feldgeräte im Hintergrund laufend selbst und melden ihren Zustand. Zudem lässt sich die Funktionsfähigkeit der Geräte jederzeit auf Knopfdruck verifizieren. Niemand muss vor Ort sein, Ausfälle werden vermieden.“

> 1000

Endress+Hauser Geräte sind bei Maynilad im Einsatz

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10.3Millionen

Menschen versorgt Maynilad im Großraum Manila mit Wasser

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Mit Hilfe von Datenanalysen kann der Versorger erkennen, ob und wo Wasser in der Millionenmetropole verloren geht – etwa durch Lecks oder illegale Anschlüsse.

Gewinn an Transparenz und Effizienz

Die Automatisierung und Vernetzung über die IIoT­Plattform bringt außerdem Vorteile für die Nachhaltigkeit des Wassermanagements. „Mit Instrumenten von Endress+Hauser optimieren wir zum Beispiel die chemische Behandlung von Abwasser oder die energieintensive Sauerstoffzugabe. Das schont Ressourcen. Auch die Fernsteuerung von Pumpen ist nur mit Hilfe vernetzter Drucksensoren möglich. So können die Pumpen über das IIoT genau passend geregelt werden“, sagt Francisco Castillo.

Stellt sich die Frage: Könnte der Einsatz von KI noch eine weitere Effizienz­ steigerung bringen? Schließlich sammelt Maynilad bereits seit zehn Jahren technische Daten, eine ideale Voraussetzung für den Einsatz von KI­Modellen. Francisco Castillo, der vor etwa 30 Jahren schon seine Dissertation über KI geschrieben hat, sagt dazu: „Man sollte immer vom Problem aus denken. KI kann die Lösung sein – aber bei uns ist es erstmal das IIoT.“ Maschinelles Lernen setzt das Unternehmen aber bereits etwa für die vorausschauende Wartung ein. Um ein großes generatives KI­Modell zu trainieren, brauche es jedoch noch mehr Daten und Rechenleistung, betont der CIO. „Wenn wir ein Problem mit KI schneller lösen können und das im Kostenrahmen steht, werden wir es tun“, meint Francisco Castillo.

Im Kundenservice ist der Einsatz von KI schon sehr viel konkreter. Chatbots, die auf Basis von Large Language Models arbeiten, sollen schon bald die Mitarbeitenden im Maynilad­Callcenter entlasten. Auch für die Cybersicher­ heit sei KI interessant, meint der CIO, zum Beispiel um Hacking­Muster zu erkennen und so die Systeme zu schützen. Francisco Castillo schließt seinen Laptop. „Es ist gut, dass wir schon früh damit begonnen haben, Daten zu sammeln und aufzubereiten“, fasst er zusammen. „Und es ist wichtig, dabei Partner wie Endress+Hauser an der Seite zu haben, die die passende Hardware für die OT liefern und gleichzeitig die IT­Seite verstehen.“