Gemeinsam mehr rausholen

Um Prozesse mit KI zu optimieren, müssen sich Anwender und Anbieter zusammen auf die Reise machen. Endress+Hauser folgt dabei einem standardisierten Ablauf. Das sorgt für Transparenz bei jedem Schritt und schafft Vertrauen.

Text: Christine Böhringer
Illustration: 3st kommunikation
AI
1

ZUSAMMENGEHEN

Bei der Entwicklung von KI­Lösungen setzt Endress+Hauser auf Co­Innovation mit Kunden. Der Anstoß dazu kann von beiden Seiten kommen. „Manchmal fragen uns unsere Anwender zum Beispiel, ob man aus einem Gerät mit Hilfe von zusätzlichen Daten und In­formationen mehr herausholen kann“, sagt Dr. Rebecca Page, Expert Data Scientist im Forschungs­- und Entwicklungsbereich des Kompetenzzentrums für Durchflussmesstechnik. Geht es um ganze Applikationen mit verschiedenen Messgrößen und ­geräten, tritt die Firmengruppe oft selbst an die Kunden heran. „Unsere Branchenmanager wissen durch ihr Know­how und ihre globale Vernetzung genau, wo die wunden Punkte ihrer Kunden liegen. Oft gibt es schon lange eine Idee, wie sich das auf Grundlage von Messwerten lösen lässt. Aber erst Digitalisierung und KI bieten nun die Möglichkeit, diesen Ansatz umzusetzen“, sagt Rebecca Page.

E+H1
2

START MIT KLAREM ZIEL

Können sich alle eine Zusammenarbeit vorstellen, durchläuft Endress+Hauser mit den Kunden ein standardisiertes Modell für Data-­Mining-­Projekte (CRISP­DM). Am Anfang steht das Geschäfts­ verständnis. Bei einer ganzen Applikation heißt das: Wie sieht der Prozess genau aus? Wo liegt die Herausforderung? Welche Verbesserung erhoffen die Anwender sich? Was möchte Endress+Hauser mit dem Projekt erreichen – und was benötigt Endress+Hauser, um es zum Erfolg zu machen? Was bringen beide Partner mit – und was können sie leisten? „Hier ist Transparenz entscheidend, die klare Definition eines gemeinsamen Ziels und des genauen Weges dorthin“, sagt Rebecca Page. „Beide Seiten müssen einander vertrauen, gut kommunizieren, dazulernen wollen – und die Anwender müssen offen für die Digitalisierung sein.“

E+H2
3

PROZESS UND DATEN VERSTEHEN

In der nächsten Phase erhalten die Datenwissen­schaftler bei Endress+Hauser erste Sätze mit Messdaten. Unter anderem bestimmen sie die kritischen Para­ meter und die Optionen zur Steuerung, die Ansatz­ punkte zur Lösung des Problems bieten. „Gerade arbeiten wir in einem Vorentwicklungsprojekt mit einem Kunden aus der Bergbauindustrie daran, einen Eindicker zu optimieren“, erklärt Rebecca Page. Der Prozess soll mit Hilfe von KI so verbessert werden, dass sich Feststoffe und Flüssigkeit optimal voneinan­ der trennen lassen. Zudem soll der sich auf dem Tankboden absetzende Feststoff eine gewisse Dichte haben. „Dazu gehört auch ein Deep Dive vor Ort mit den Prozessingenieuren“, sagt Rebecca Page. „Wir müssen tiefe Einblicke in den Prozess bekommen und diese mit dem abgleichen, was wir in den Daten sehen. Am Ende ist entscheidend, dass wir mit Hilfe der Daten prozessrelevante Muster erkennen.“

E+H3
4

LÜCKEN SCHLIESSEN

Gibt es Datenlücken, etwa, weil die Messintervalle zu groß sind oder Schlüsselparameter fehlen, rüstet Endress+Hauser nach. „Oft sind die Lücken manuellen Schritten wie Probenahmen geschuldet“, sagt die Datenwissenschaftlerin. Im Fall des Eindickers wurde der Feststoffgehalt des Überlaufs einmal am Tag im Labor analysiert. „Hier haben wir diverse Messungen neu eingebaut, um die Dynamik im Prozess zwischen den Gängen ins Labor zu erfassen. Das ist ein Sofort­ gewinn an Transparenz für die Anwender“, sagt Rebecca Page.

E+H4
5

DAS RICHTIGE MODELL FINDEN

Anschließend fließen für das Vorentwicklungsprojekt die Daten über Edge Devices in die Cloud. Jetzt können auch größere Datensätze fortlaufend analysiert und mit den Kunden interpretiert werden – auf Trends, Variabilität, Ausreißer. Ein finaler Datensatz ist die Basis für die Entwicklung des passenden KI-­Modells. „In Anwendungen, in denen viele Messgeräte zum Einsatz kommen und die Zusammenhänge damit komplexer sind, kann Maschinelles Lernen unterstützen“, verrät Rebecca Page. Das Modell wird ausführlich getestet, erst mit simulierten Messwerten, dann mit realen. „Hier sehen wir mit dem Kunden, ob es passt, die Wirklichkeit abbildet und den gewünschten Mehrwert bietet oder ob wir etwas ändern müssen.“ Danach wird das Modell konfiguriert, beim Kunden in der vorgesehenen Umgebung implementiert – je nach Wunsch mit oder ohne Cloud­ Anbindung – und weiter überwacht.

E+H5
6

BEREIT FÜR DEN MARKT

„Beim Eindicker soll unsere KI-­Lösung dafür sorgen, dass das Flockungsmittel automatisch optimal dosiert wird“, sagt Rebecca Page. Bewährt sich die Lösung, werden auch andere Kunden davon profitieren: Der Algorithmus wird dann mit allen nötigen Komponenten wie Messgeräten und Edge­Computer als Komplettpaket angeboten. „Die Lösung muss dann nur noch an die Parameter vor Ort an­ gepasst werden, denn Eindickprozesse laufen oft mit un­terschiedlichen Rohstoffen, zum Beispiel Kohle, Gold oder Kupfer, sowie unterschiedlichen Temperaturen und Flo­ckungsmitteln“, sagt Rebecca Page. „Doch das ist dann im Austausch mit dem jeweiligen Kunden keine so große Sache mehr.“

E+H6