Eine gute Verbindung

Die Raffinerie Heide und Endress+Hauser sind schon seit über 20 Jahren Partner. Beide verbindet der Wille, sich ständig weiterzuentwickeln und selbst für die kniffligsten Prozesse immer bessere Lösungen zu finden.

Text: Christine Böhringer
Fotografie: Heide Raffinerie, Endress+Hauser
Raffinerie Heide processes four million tonnes of crude oil annually in Hemmingstedt.

PARTNERSCHAFT

Wer in Hamburg in ein Flugzeug steigt, kann sich fast sicher sein, dass es mit Kerosin der Raffinerie Heide abhebt: Nicht weit entfernt in Hemmingstedt an der Nordsee produziert das Unternehmen jährlich für ganz Norddeutschland aus vier Millionen Tonnen Rohöl viele Treibstoffe und petrochemische Produkte. Obwohl mehr als 80 Jahre alt, ist der Standort heute eine der modernsten und flexibelsten Raffinerien Deutschlands. „Wir investieren immer wieder stark in Anlagen und Verfahren, um uns Neuerungen anzupassen, zudem optimieren wir kontinuierlich unsere Prozesse“, erklärt der technische Gesamtleiter Klaus Behrens.

Eine wesentliche Weiche für die Zukunft wurde dabei im Jahr 2000 gestellt: Damals wurde der Standort komplett modernisiert und ein neuer Hydrocracker errichtet. Dieser Cracker ist das Herzstück der Raffinerie. In ihm wird mit Hilfe von Wasserstoff und Katalysatoren unter Drücken bis 200 Bar und Temperaturen bis 430 Grad Celsius das Rohöl in Vorprodukte für Treibstoffe umgewandelt. Im Vergleich zu anderen europäischen Raffinerien wird in Hemmingstedt mit diesem Verfahren eine besonders hohe Produktausbeute erzielt.

Dass dem so ist, liegt mit an Endress+Hauser. „Bei der Modernisierung haben wir mehrere tausend Messstellen ausgerüstet, vor allem für Durchfluss, Druck und Füllstand“, sagt Torsten Hoppe, der als technischer Vertriebsmitarbeiter die Raffinerie betreut. 2010 kam das Unternehmen auch mit Multipoint-Thermometern beim Cracker ins Spiel. „Bei seinem Bau war Endress+Hauser noch neu im Temperaturgeschäft“, sagt Sönke Lahann, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechniker für den Hydrocracker. „Daher haben wir das Unternehmen erst später ins Boot geholt. Mit ausschlaggebend dafür war, dass Endress+Hauser auch in unserer Region Support bietet.“

DOPPELT GESCHÜTZTE SENSOREN

Multipoints erfassen mit einzeln in Kabelsonden eingebrachten Thermoelementen die Temperaturen in den Reaktorbetten des Hydrocrackers dreidimensional. Damit lässt sich der Prozess überwachen und optimal steuern. Doch ein Jahr nach dem Einbau gab es ein Problem: Prozessgas war in die Diagnosekammer eines der Systeme gedrungen. „Wir waren schnell vor Ort“, erinnert sich Peter Prokesch, Bereichsleiter Marketing Technik bei Endress+Hauser.

Gemeinsam wurde eine Sofortlösung gefunden. Aber dabei blieb es nicht. „Danach haben wir mit der Raffinerie ein anderes Sensordesign entwickelt und beim nächsten geplanten Stillstand des Hydrocrackers die neuen Systeme eingebaut“, sagt Peter Prokesch. Die enge Zusammenarbeit auf diesem Gebiet hält bis heute an: Nach einem Feldtest über zweieinhalb Jahre nutzt die Raffinerie Heide seit kurzem die innovative iTherm ProfileSens-Technologie. „Sie ermöglicht es, in einer Kabelsonde mehrere Thermoelemente zu kombinieren und bietet zudem eine zweite Schutzschicht für die Elemente“, erklärt Produktmanager Pietro Miceli. Dadurch gibt es mehr Platz für den Katalysator in den Reaktoren und vor allem steigt die Zuverlässigkeit der Sensoren.

Weshalb die Raffinerie diesen Weg mit Endress+Hauser gegangen ist? „Wir haben das gemeinsam weiterverfolgt, weil Endress+Hauser sehr interessiert war, die Dinge anzupacken und Lösungen zu finden“, erklärt Sönke Lahann. „Gerade die Messungen im Hydrocracker sind nicht einfach. Es herrschen dort schwierige Prozessbedingungen.“ Außerdem sind die Partner auch in den anderen Bereichen ein eingespieltes Team. „Endress+Hauser kümmert sich, wir sind immer eng im Austausch“, sagt der für Tanklager und Verladung verantwortliche Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik-Ingenieur Steffen Raabe. „Wenn es eine neue oder generelle Fragestellung gibt, erkundigen wir uns, ob eine Lösung angeboten oder zusammen erarbeitet werden kann.“ Umgekehrt treten die Vertriebsleute, die den Standort sehr gut kennen, mit Weiterentwicklungen an die Raffinerie heran. „Wir erreichen die Ziele gemeinsam“, sagt Steffen Raabe.

The heart of the facility is an ultramodern hydrocracker.

Herzstück des Standortes ist ein hochmoderner Hydrocracker.

Endress+Hauser and the refinery jointly enhanced the multipoint thermometers in order to improve the process inside the hydrocracker. The system was installed during scheduled downtime.

Um den Prozess im Hydrocracker besser zu fahren, haben Endress+Hauser und die Raffinerie die Multipoint-Thermometer gemeinsam weiterentwickelt. Für den Einbau wurden geplante Stillstände genutzt.

DIE RICHTIGEN EIGENSCHAFTEN

Für Klaus Behrens sind Partnerschaften wie die mit Endress+Hauser bei der erfolgreichen Zukunftsgestaltung der Raffinerie mitentscheidend. „Da unsere Anlagen jahrelang ohne Unterbrechung laufen, ist uns bei der Technik Qualität, Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit wichtig. Doch es muss auch menschlich stimmen und wir erwarten von unseren Lieferanten, dass sie uns kompetent beraten – hinsichtlich dessen, was momentan machbar, aber auch künftig mit Innovationen möglich ist“, sagt er.

Gerade treiben die großen Themen Digitalisierung und Energiewende die Verantwortlichen der Raffinerie um. „Zur weiteren Automatisierung möchten wir verstärkt Daten aus dem Feld nutzen. Um auch weit verteilte Anlagenbereiche zu erschließen, verwenden wir zur Übertragung aus der Bestandsinstallation insbesondere Feldmultiplexer oder Technologien wie Wireless-HART“, sagt Steffen Raabe. Zudem beteiligt sich der Standort an dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt Westküste 100 zur Umsetzung einer regionalen Wasserstoffwirtschaft: Auf dem Raffineriegelände soll künftig ein 30-Megawatt-Elektrolyseur mit Strom aus erneuerbaren Energien grünen Wasserstoff produzieren. Dieser geht unmittelbar in den Hydrocracker und soll so das Herz der Raffinerie ein Stück weit dekarbonisieren. „Auch hier kennt Endress+Hauser unsere Bedürfnisse genau und kann uns vor Ort optimal unterstützen“, ist Steffen Raabe überzeugt.