Die Wandelbaren

Vom Kohlebergbau zu Gesundheit, Ernährung und Biowissenschaften. Mit dem Mut zur Veränderung ist sich Royal DSM immer treu geblieben. Die Fusion mit Firmenich setzt diesen Weg fort, auf dem auch Endress+Hauser als innovativer Partner gefragt ist.

Text: Robert Habi
Fotografie: Christoph Duepper
DSM

Was in Halle 61 aus der Trichtermischanlage fällt, sieht auf den ersten Blick unscheinbar aus: ein weißliches Pulver, das an Kalk erinnert. Doch am DSM-Standort im süddeutschen Grenzach wissen alle um die Bedeutung des Stoffs mit dem Namen Bovaer. Nach mehr als zehn Jahren Forschung und Entwicklung konnte DSM nachweisen: Der Futtermittelzusatz hemmt im Pansen der Kuh den letzten Enzymschritt, der für die Methanproduktion verantwortlich ist. Dadurch reduziert sich der Ausstoß des Treibhausgases, was zu einer Verringerung des ökologischen Fußabdrucks von Fleisch, Milch und Molkereiprodukten beiträgt. Standortleiter Martin Häfele erklärt: „Verfüttert ein Bauer einen Viertel Teelöffel pro Tag und Tier, bewirkt das eine 30-prozentige Reduktion von Methan bei einer Milchkuh und 45 Prozent bei einem Fleischrind. Bovaer an drei Kühe zu verfüttern, hat den Effekt als würde man ein Familienauto von der Straße nehmen.“

Diese Wirkkraft weckt international Hoffnungen für den Klimaschutz. Die EU genehmigte Bovaer mit dem Hinweis, das Futteradditiv trage zur nachhaltigen „Farm to Fork“-Strategie der Staatengemeinschaft bei. Australien, Brasilien, Argentinien und Chile gaben ebenfalls grünes Licht. Und zu den ersten Pilotkunden zählt Arla Foods, eine der größten Molkereigenossenschaften der Welt. Um der Nachfrage gerecht zu werden, baut DSM seit Dezember 2022 für mehr als 100 Millionen Euro eine neue Produktion im schottischen Dalry, die 2025 in Betrieb gehen soll. Hauptlieferant für die Instrumentierung ist Endress+Hauser, sagt Sjef Arets, Vice President Manufacturing & Technology von DSM. In der Division Tierernährung- und -gesundheit verantwortet er mit seinem Team die Produktion und die Technologieentwicklung an Standorten in Europa, China und Lateinamerika. Sjef Arets ist ebenfalls begeistert von dem Futtermittelzusatz: „Bovaer kann in Zukunft einen entscheidenden Beitrag leisten, um weltweit das Ziel Netto-Null zu erreichen.“ Gleichzeitig betont er: „DSM ist natürlich viel mehr als dieses eine Projekt.“

Tatsächlich läuft die Vermarktung von Bovaer gerade erst an, der Verkauf ist noch in einer frühen Phase. Der Futterzusatz steht allerdings exemplarisch für den strategischen Weitblick, mit dem in der Konzernzentrale im niederländischen Heerlen entschieden wird. Denn als vor mehr als zehn Jahren die Forschung für Bovaer im schweizerischen Kaiseraugst begann, beschäftigte sich weltweit kaum jemand mit dem Methanausstoß der Viehwirtschaft. Ein weiteres Beispiel für eine „Revolution“ in der Tierernährung, wie es Sjef Arets nennt, könnte Veramaris werden. Das Joint Venture mit dem Chemiekonzern Evonik steht für ein Verfahren, das Omega-3-Fettsäuren aus Algen gewinnt. Diese Fette sind in den Aquakulturen als Futterzusatz unverzichtbar. Bisher kamen dafür Fische aus Wildfang zum Einsatz. Laut DSM kann Veramaris einmal die gleiche Menge an Omega-3-Fettsäuren liefern wie 1,2 Millionen Tonnen Fisch – mehr als die jährliche Fangmenge im Mittelmeer.

DSM Hand

Ein unscheinbares Pulver, auf dem große Hoffnungen ruhen: der methansenkende Futtermittelzusatz Bovaer.

DSM Cows

Ein Viertel Teelöffel Bovaer pro Tag und Tier bewirkt eine 30-prozentige Reduktion von Methan bei einer Milchkuh und 45 Prozent bei einem Fleischrind.

EINZIGARTIGE WANDLUNG

DSM treibt die Suche nach solchen Innovationen heute mit über 1.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern voran. Die Suche nach neuen Wegen ist fest in die DNA des Unternehmens eingeschrieben. Gestartet als Dutch State Mines im Jahr 1902, entwickelte sich früh eine chemische Sparte, die unter anderem Dünger herstellte. Nach 1945 wurde die Diversifizierung noch stärker vorangetrieben. Als 1973 das letzte Bergwerk in den Niederlanden schloss, war DSM bereits ein Unternehmen für Chemie und Petrochemie. Die Übernahme des Geschäftsbereichs Vitamine & Feinchemikalien von Roche im Jahr 2003 verschob den Fokus auf Gesundheit, Ernährung und nachhaltiges Leben. Im Jahr 2022 verkaufte DSM sein Materialgeschäft, um sich vollständig auf Gesundheit, Ernährung und Biowissenschaften zu konzentrieren und kündigte zusätzlich die Fusion mit Firmenich an. Der Zusammenschluss zu DSM-Firmenich wurde im Mai 2023 vollzogen.*

Sjef Arets hat den Wandel des Unternehmens erlebt und mitgestaltet: „Ich bin im Süden der Niederlande geboren. Früher haben dort viele für DSM im Bergbau gearbeitet.“ Als er selbst vor mehr als 30 Jahren zum Unternehmen kam, gab es noch keinen der Geschäftsbereiche in ihrer jetzigen Form. „Heute wachsen wir mit einer nachhaltig ausgerichteten Strategie. Wir verbessern das Leben vieler Menschen.“ Die Verbraucher verwenden täglich Hunderte von DSM-Produkten: zum Beispiel als Inhaltsstoffe in Lebensmitteln und Getränken, Nahrungsergänzungsmitteln sowie in medizinischer und kindlicher Ernährung. „Wir erreichen ungefähr zweieinhalb Milliarden Menschen mit unseren Produkten – aber die wenigsten wissen davon etwas“, erklärt Arets.

* Die Gespräche für diesen Artikel wurden im Dezember 2022 geführt.

„Was wir am Ende suchen, wenn wir zusammenarbeiten, ist etwas, das über den reinen Wert der Instrumente hinausgeht.“

Sjef Arets

Vice President Manufacturing and Technology Animal Nutrition & Health, DSM

Sjef Arets, Vice President of Manufacturing & Technology Animal Nutrition & Health at DSM

ENGE PARTNERSCHAFT

Wenn es nach DSM geht, darf diese Reichweite gerne weiter steigen. Das Unternehmen will mit neuen Produkten wachsen – und etablierte verbessern. „Deshalb ist es für uns genauso wichtig, die Verfahren in unseren bestehenden Anlagen evolutionär zu verbessern“, sagt Sjef Arets. „Dabei spielen unsere Partner wie Endress+Hauser eine wichtige Rolle.“ Die Evolution eines seit Jahrzehnten etablierten Prozesses kann man in Grenzach erleben. Die kürzlich modernisierte Vitamin-D3-Produktion läuft in jedem Prozessschritt mit Messtechnik von Endress+Hauser. Angefangen beim Grenzschalter bis hin zu hochgenauen Coriolis-Durchflussmessgeräten ist das gesamte Portfolio im Einsatz. Martin Häfele, Geschäftsführer von DSM in Grenzach, erklärt mit Blick auf seinen Standort: „Ich bin froh, dass wir nicht nur Messgeräte kaufen, sondern eine Lösung, die unsere Prozesse als Ganzes besser macht. Das hilft uns dabei, unsere Qualität zu einem wettbewerbsfähigen Preis anbieten zu können.“

Der Schlüssel dazu ist eine besondere Partnerschaft. Für Endress+Hauser ist DSM ein sogenannter strategischer Kunde, wie Michael Sinz erklärt, der Leiter des Strategic Business. „Wir suchen die Nähe zu Kunden, die in ihrem Geschäft führend sind und offen für eine enge Zusammenarbeit. Davon erhoffen wir uns Lerneffekte und langfristiges Wachstum. Im besten Fall passen Markenwerte, Qualitätsanspruch und Firmenkultur zusammen. Das ist bei DSM der Fall. Wir haben ähnliche Denkweisen, sind stark innovationsgetrieben und nachhaltig orientiert.“ Operativ unterstützt bei Endress+Hauser ein globales Netzwerk DSM an allen Standorten weltweit, auch mit Dienstleistungen und Engineering.

In the midst of state-of-the-art production technology, personal relationships are still essential.

Auch inmitten modernster Produktionstechnik ist persönlicher Austausch unerlässlich.
 

DSM uses a wide range of measurement technologies from Endress+Hauser, including pressure instruments.

DSM nutzt verschiedenste Messtechnologien von Endress+Hauser, darunter auch Druckmessgeräte.

DIREKTE VERBINDUNG

Bei einer internen Bewertung der Schlüssellieferanten gab DSM dem Partner mit satten 100 Prozent die Bestnote. Darüber freut sich stellvertretend für die beteiligten Teams einer, der bei Endress+Hauser die Fäden zusammenhält: Markus Schmitz ist der Strategic Account Manager für DSM. Sein Trumpf: Nähe zum Kunden – und das im mehrfachen Sinne. Sein heimischer Schreibtisch steht nur 30 Kilometer vom DSM-Hauptsitz im niederländischen Heerlen entfernt. Er und sein Counterpart Ronald Diedering von DSM bilden die kürzeste Verbindung beider Unternehmen. Diedering verantwortet als Global Senior Category Manager weltweit das Kaufmännische im Bereich Prozesskontrolle und kümmert sich außerdem um das Verhältnis zu strategisch wichtigen Lieferanten.

„Man kann diese Partnerschaft gar nicht genug wertschätzen“, betont Markus Schmitz. „Es gibt ein eigenes Steering Committee, das sich regelmäßig mit strategischen Fragen auseinandersetzt, dazu kommen Treffen auf Managementebene.“ Regelmäßiger Austausch, Dinge hinterfragen – all das bringt Endress+Hauser ein tieferes Verständnis für die Abläufe, was im besten Fall zu einem weiteren Mehrwert für DSM führt. „Wir haben zum Beispiel ein eigenes elektronisches Bestellmanagement etabliert mit allen technischen Informationen zu unserem Angebot“, erzählt Markus Schmitz. „DSM-Mitarbeiter können dort Produkte auswählen, auslegen und bestellen – und das zu den vereinbarten Preisen.“ Solche Lösungen sind im B2B-Bereich nicht selbstverständlich. Sjef Arets schätzt die Erleichterung im Alltag seiner Leute: „Was wir am Ende suchen, wenn wir mit Partnern zusammenarbeiten, ist etwas, das über den reinen Wert der gelieferten Instrumente hinausgeht.“

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VERNETZT IN DIE ZUKUNFT

In Sachen Prozessmesstechnik trägt die Kooperation von DSM und Endress+Hauser ihre jüngsten Früchte im schweizerischen Sisseln. Am dortigen Standort haben beide Partner zur Steuerung einer chemischen Anlage einen Raman-Analysator installiert. „Der große Vorteil dieser Technologie ist, dass wir den Prozess direkt und in Echtzeit überwachen. So können wir sofort auf Veränderungen reagieren“, erklärt Sjef Arets. Möglich machen das Messsonden, die anhand der Lichtstreuung eines Laserstrahls die chemischen Eigenschaften eines Stoffes bestimmen – ohne den Umweg übers Labor. Im Vergleich zu anderen Technologien liefert die Raman-Spektroskopie umfassendere Prozessdaten, funktioniert zuverlässiger und erfordert weniger Wartungsaufwand.

Die Partner tauschen sich auch regelmäßig über künftige technologische Herausforderungen aus. Dazu zählt die Digitalisierung der Produktion, die DSM in den nächsten Jahren vorantreiben will. Produktionsexperte Sjef Arets ist sich sicher: „Wir werden Prozesse weiter automatisieren und die Konnektivität unserer Anlagen erhöhen. Auf diesem Weg brauchen wir Partner, die uns das ermöglichen und uns dabei unterstützen, neuen Mehrwert aus der Digitalisierung zu generieren.“

„Wir suchen die Nähe zu Kunden, die in ihrem Geschäft führend sind und offen für eine enge Zusammenarbeit. Davon erhoffen wir uns Lerneffekte und langfristiges Wachstum.“

Michael Sinz

Leiter Strategic Business bei Endress+Hauser

Michael Sinz, Director of Strategic Business at Endress+Hauser