Den Fußabdruck verkleinern

Endress+Hauser möchte sein Portfolio über die nächsten Jahre Schritt für Schritt dekarbonisieren. Wie soll das gelingen bei Messgeräten, die ohne Stahl nicht auskommen?

Text: Christine Böhringer
Fotografie: Andreas Mader
Hans Joachim Fröhlich, director of technology and portfolio

PORTFOLIO

Wer mit produzierenden Unternehmen über ihre Klimaschutzstrategien spricht, der hört immer wieder diesen Satz: Die meisten der CO2-Emissionen fallen entlang unserer Lieferkette an! „Auch bei Endress+Hauser ist es so. Da wir viel Stahl und auch Aluminium in unseren Messgeräten verbauen, geht der größte Teil unseres Umwelt-Fußabdrucks darauf zurück“, erklärt Hans Joachim Fröhlich, Director Technology & Portfolio. Gemeinsam mit den Product Centern möchte er diese Emissionslast verringern – und das Portfolio von Endress+Hauser bis 2050 dekarbonisieren.

Die einfachste Lösung existiert nur in der Theorie. „Gäbe es in absehbarer Zeit einen wirtschaftlich interessanten Weltmarkt für grünen Stahl, könnten wir unsere Produktion sofort umstellen“, sagt Hans Joachim Fröhlich. Doch der Rohstoff wird erst in Pilotprojekten klimaneutral erzeugt. Und wie schnell die Kapazitäten hochgefahren werden können, hängt auch von der Verfügbarkeit von grünem Strom und Wasserstoff ab. „Deshalb suchen wir nach weiteren Möglichkeiten, die Klimabilanz unserer Produkte zu verbessern – Dinge, die wir selbst schnell gestalten und umsetzen können“, so Hans Joachim Fröhlich.

Einige Überlegungen drehen sich um konstruktive Materialeinsparungen. Um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit zu gewährleisten, sind Änderungen an der Sensorik selbst kaum möglich. „Bei Messgeräten, die sich kabellos bedienen lassen, könnte man jedoch aufs Display verzichten. Auch die weitere Miniaturisierung der Elektronik, die ein eigenes Gehäuse besitzt, bleibt ein Handlungsfeld“, sagt Hans Joachim Fröhlich. Schon länger setzt Endress+Hauser für Durchfluss- und Füllstandsmessung zunehmend auf Zweileiter-Technik, die im Betrieb weniger Strom verbraucht und mit weniger Elektronikbauteilen auskommt als Vierdrahtgeräte.

Hans Joachim Fröhlich, director of technology and portfolio

Das Ganze im Blick: Hans Joachim Fröhlich, Director Technology & Portfolio, verfolgt verschiedene Wege, um die Klimabilanz von Messgeräten zu verbessern.

HIN ZU MODULAREN BAUWEISEN

Zudem beschäftigt sich Endress+Hauser mit dem Thema Kreislaufwirtschaft. „Hier geht es vor allem darum, die ohnehin lange Lebensdauer unserer Messtechnik von 15 bis 20 Jahren weiter zu optimieren“, sagt Hans Joachim Fröhlich. Auch in diesem Fall bietet die Elektronik einen Ansatzpunkt, denn im Vergleich zur Sensorik oder Mechanik ist sie weniger beständig und technologisch schneller überholt. Die neueste Generation etwa der Proline 300/500 Messumformer-Familie für die Durchflussmessung wurde deshalb so gestaltet, dass die Hauptelektronik- und Kommunikationsmodule ohne viel Aufwand austauschbar sind. Damit können künftige Kommunikationsstandards und neue Funktionalitäten einfach integriert werden.

Dem Aufarbeiten und Wiederverwenden von Messgeräten sind hingegen Grenzen gesetzt. „Aufgrund der Vielzahl an Varianten ist fast jedes unserer jährlich drei Millionen produzierten Instrumente ein Einzelstück“, erklärt Hans Joachim Fröhlich. Die fehlende Standardisierung der Messtechnik in Anlagen, spezifische Industriestandards, individuelle Prozessanforderungen und die Kritikalität vieler Messstellen stehen dem Refurbishment ebenfalls entgegen. Potenzial zum Verkleinern des produktbezogenen CO2-Fußabdrucks birgt jedoch der Betrieb: „Die meisten neuen Feldgeräte von Endress+Hauser verfügen heute über Heartbeat Technology mit Diagnose-, Verifikations- und Monitoringfunktionen. Damit können Kalibrierzyklen optimiert und Serviceeinsätze genau geplant werden“, erklärt Hans Joachim Fröhlich.

Für ihn steht fest: Die Dekarbonisierung des Portfolios wird das Innovationsgeschehen bei Endress+Hauser prägen – und sie ist nur in enger Zusammenarbeit mit den Kunden möglich. Diese haben in ihren Anlagen derweil zuerst größere Emissionstreiber im Blick, wie die Energiebereitstellung, Maschinen, Pumpen oder Rohrleitungen. „In der Chemieindustrie macht die Messtechnik an einem großen Standort lediglich ein halbes Prozent des CO2-Fußabdrucks aus“, verdeutlicht Hans Joachim Fröhlich.