Clever kombiniert

Auf der Grundlage von Daten bessere Entscheidungen treffen: Mit dem IIoT-Ökosystem Netilion von Endress+Hauser geht das jetzt leichter. Es verwandelt Daten aus dem Feld automatisiert in wertvolle Informationen. Drei Beispiele zeigen, wie Kunden heute schon von den Möglichkeiten von Netilion im Alltag profitieren – durch einen besseren Betrieb, einfachere Instandhaltung und niedrigere Kosten.

Text: Silke Bauer, Christine Böhringer, Lisa Schwarz
Fotografie: Kristoff Meller, Christoph Fein, Manu Agah, Shutterstock, Waterschap Hollandse Delta Grafik: 3st
Mann steht vor vielen Rohren

19000

Messstellen sind für den Serviceauftrag in den brasilianischen Betrieben eines Brauereikonzerns digital erfasst worden.

Manchmal lässt sich der Fortschritt in Zahlen fassen. Etwa wenn es darum geht, die installierte Basis von Feldgeräten in verfahrenstechnischen Anlagen zu erfassen. „Sechs Monate lang sind zwei unserer Servicetechniker durchs Land gereist, um ein Kalibrierkonzept für die brasilianischen Niederlassungen eines großen Brauereikonzerns zu erstellen. An 15 Standorten haben sie dafür die relevanten Messstellen identifiziert“, berichtet Carlos Behrends, Geschäftsführer von Endress+Hauser Brasilien und Corporate Sales Director für Südamerika. Gerät um Gerät nahmen die Techniker vor Ort auf, erstellten lange Tabellen, strukturierten die Liste anhand bestimmter Kriterien und werteten die Ergebnisse in mühevoller Kleinarbeit aus. Nachdem Endress+Hauser den Serviceauftrag gewonnen hatte, wiederholten die Serviceleute die sogenannte Installed Base Analysis. Diesmal für sämtliche 19.000 Messstellen der Brauereien – und mit dem nun verfügbaren IIoT-Ökosystem Netilion als Plattform. „Mit unseren neuen digitalen Tools haben wir nur einen Bruchteil der Zeit benötigt – und zugleich viel tiefere Einblicke gewonnen“, bringt es Carlos Behrends auf den Punkt.

GEWINN AN TRANSPARENZ

Für die Digital Installed Base Analysis nutzten die Endress+Hauser Servicetechniker Netilion Analytics – einen digitalen Dienst, der eingebettet ist in das IIoT-Ökosystem Netilion, sowie die Netilion Scanner App. Die App verwendet die Kamera von Smartphone oder Tablet, um die Typenschilder von Feldgeräten zu erfassen und automatisch einen digitalen Zwilling zu generieren. Netilion Analytics wertet die übermittelten Daten aus, verknüpft sie im Falle von Endress+Hauser Instrumenten mit den Einträgen der Gerätedatenbank und stellt die Ergebnisse übersichtlich dar. Ein Dashboard zeigt die wichtigsten Informationen auf einen Blick; auf Knopfdruck sind zu jedem Gerät Details abrufbar. „Wir erhalten viele nützliche Angaben über die installierte Basis, etwa über das Alter der Geräte, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen oder den Grad der Standardisierung der Messtechnik“, berichtet Saymon Galaci, der den Kunden in Brasilien betreut. „Zudem erkennen wir sofort, wie kritisch eine Messstelle für den Prozess ist – für uns ein wichtiges Kriterium, wenn es um den Kalibrierauftrag geht.“

Die neu gewonnene Transparenz soll helfen, Wartung und Betrieb der Brauereien zu verbessern. „Mit Netilion sparen wir Zeit und Ressourcen. Wir können die Kalibrierarbeiten besser planen, Anlagenstillstände vermeiden und Instandhaltungskosten senken“, ist Saymon Galaci überzeugt. In diesem Falle nutzt Endress+Hauser das IIoTÖkosystem Netilion als Tool, damit die eigenen Servicetechniker den Kundenauftrag möglichst gut erfüllen können. „Unser Ziel ist, dass der Kunde in fünf Jahren den Vertrag verlängert“, bekräftigt Saymon Galaci. Er ist sicher, dass der Konzern selbst früher oder später die Möglichkeiten der Digitalisierung im Brauereibetrieb nutzen wird; so, wie es immer mehr Anlagenbetreiber heute schon tun.

„ Mit Netilion sparen wir Zeit und Ressourcen. Wir können die Kalibrierarbeiten besser planen, Anlagenstillstände vermeiden und Instandhaltungskosten senken.“

Saymon Galaci,

Strategic Account Manager bei Endress+Hauser Brasilien

Frau bedient die Messtechnik einer Prozessanlage

Um ein Kalibrierkonzept für die Messtechnik einer Prozessanlage zu erstellen, muss zunächst die gesamte installierte Basis erfasst werden – manuell oder elektronisch.

Messgerät einer Prozessanlage

Welche Messstellen sind kritisch für den Betrieb? Ein digitaler Service wie Netilion Analytics hilft, die relevanten Instrumente schnell und sicher zu identifizieren.

Gärtanks einer Brauerei

Messgeräte sind in großen Betrieben an unzähligen Stellen installiert, manchmal auch an schwer zugänglichen Orten – wie etwa hier an diesen Gärtanks einer Brauerei.

5

Daten zusammenführen und analysieren

Algorithmen zur frühzeitigen Erkennung von Anomalien, für Prüfzwecke, für Prognosen und mehr

 

4

Daten verwalten und visualisieren

Überwachung von Netzwerken und dezentraler Infrastruktur

 

3

Daten erfassen und übertragen

Flexible Lösungen zur Anbindung von Edge Devices

 

2

Daten erfassen und überwachen

Intelligente Feldgeräte und Sensoren (Durchfluss, Füllstand, Druck, Temperatur, Analyse etc.)

 

1

Die physische Welt

Technische Anlagen (z. B. Leitungen, Pumpen, Ventile)

Netilion

Netilion, das cloudbasierte IIoT-Ökosystem von Endress+Hauser, verbindet die physische Infrastruktur, zum Beispiel Leitungen, Pumpen und Ventile, mit der digitalen Welt. Es erfasst die Daten von unterschiedlichen Assets wie Feldgeräten und Sensoren und sendet die Informationen auf das Smartphone oder den Computer der Anwender. So bietet das Ökosystem einen Überblick über die installierte Basis und bringt Transparenz in industrielle Anlagen.

„ Das intelligente Wartungsmanagement hilft, dass sich der Kunde ganz auf seine Kernkompetenz konzentrieren kann.“

Julia Grether,

Product Owner IIoT bei Endress+Hauser

SKALIERBARE LÖSUNGEN

„Netilion macht die Digitalisierung für die Prozessindustrie greifbar. Unser IIoT-Ökosystem verbindet die physische mit der digitalen Welt und generiert so wertvolle Informationen aus dem Feld“, verdeutlicht Tobias Zubler, Service Product Manager bei Endress+Hauser. Der volle Nutzen entfaltet sich, wenn Prozess- und Gerätedaten dynamisch genutzt werden. Verfügen die Feldgeräte selbst nicht über die nötige Konnektivität, können Adapter oder Edge Devices den nötigen zusätzlichen Kanal für eine sichere Kommunikation öffnen. Das ist die Voraussetzung, um weitere cloudbasierte Dienste zu nutzen. „Netilion bietet Kunden eine Fülle an Möglichkeiten, immer ausgerichtet an ihrem Bedarf“, erklärt Tobias Zubler. Er betont: „Wir können unsere Lösungen skalieren, von der reinen Datenübertragung einzelner Messstellen über das Nutzen digitaler Dienste für einen effizienten Betrieb bis hin zu einem Komplettpaket, bei dem wir die Geräte einer Anlage aus der Ferne überwachen und den Service gleich mit übernehmen.“

WARTUNG AUS DER FERNE

Für solch eine große Lösung hat sich der Abwasser-Zweckverband Waterschap Hollandse Delta entschieden. Er betreibt im Süden der Niederlande 19 Kläranlagen – in der Hafenstadt Rotterdam und über fünf Inseln verteilt. „Mehr als 270 Sensoren und Analysatoren müssen dort von den Servicetechnikern der Behörde gewartet werden. Sie fahren dafür bisher die teilweise unbemannten Anlagen einzeln ab, um die Geräte zu überprüfen“, erläutert Julia Grether, Product Owner IIoT bei Endress+Hauser. Das Problem: Die Routine-Besuche kosten Zeit – und treten Probleme auf, sehen die Techniker erst vor Ort, was wirklich passiert ist. Teilweise müssen sie dann zusätzlich Experten zu Hilfe rufen, um die Störungen zu beseitigen. Die Verantwortlichen von Waterschap Hollandse Delta wollten dies ändern. „Um die größtmögliche Verfügbarkeit der Anlagen sicherzustellen und die Betriebskosten zu senken, hat die Behörde einen Partner gesucht für ein intelligentes Wartungssystem und den dazugehörigen Rundumservice für die nächsten zehn Jahre“, berichtet Julia Grether. Endress+Hauser überzeugte mit dem umfassenden Messtechnik-Angebot – und mit den Möglichkeiten des IIoT-Ökosystems Netilion. „Es hilft uns dabei, die Instrumentierung kontinuierlich aus der Ferne zu überwachen. Zusätzlich können wir über die Zeit hinweg anhand der Daten auch vorausschauend handeln, so dass Störungen gar nicht erst auftreten. Unser Ziel ist, die Zahl der Wartungseinsätze vor Ort deutlich zu reduzieren“, sagt Julia Grether.

Vogelansicht von Kläranlage des Abwasser-Zweckverbands Waterschap Hollandse Delta

Eine der 19 Kläranlagen des Abwasser-Zweckverbands Waterschap Hollandse Delta.

Blick über Schulter von einem Mann der ein Tablet hält

Über digitale Dienste kann aus der Ferne auf Sensordaten und Geräteinformationen zugegriffen werden.

20-40% Sparpotenzial bei Wartungskosten

MEHR SICHERHEIT IM BETRIEB

Wie das genau funktioniert? Zunächst einmal wurde die Instrumentierung dafür komplett ausgetauscht. Alle neu eingebauten Sensoren und Analysatoren von Endress+Hauser senden ihre Signale und Daten über Edge Devices in die Netilion Cloud. Mit dem Dienst Netilion Health sieht das Serviceteam von Endress+Hauser jederzeit auf einem Dashboard, ob mit den Geräten alles in Ordnung ist. Dafür werden ihre Diagnosedaten ständig überwacht. Gibt es einen Fehlerstatus, erkennen die Techniker anhand der übermittelten Information sofort die Ursache und was zu tun ist. „Dank Netilion Analytics wird zudem angezeigt, wo genau sich das Gerät auf der Anlage befindet“, weiß Julia Grether. Vor Ort hilft dann schließlich der Dienst Netilion Library weiter: Er macht auf beliebigen Endgeräten sämtliche Dokumente verfügbar, die im Zusammenhang mit der Instrumentierung einer Anlage stehen.

Netilion hilft nicht nur, schnell und gezielt auf Störungen zu reagieren, sondern trägt auch dazu bei, diese zu verhindern. „Unsere Analysatoren erkennen, welche Mengen an Reagenzien noch vorhanden sind, die sie für ihre Arbeit benötigen“, erklärt Julia Grether. Wird ein festgelegter Grenzwert unterschritten, löst dies automatisch eine Meldung aus. So kann der Abwasser-Zweckverband rechtzeitig für Nachschub sorgen und den sicheren Betrieb gewährleisten. „Zusätzlich ermöglicht es Netilion, Sensoren im Auge zu behalten. Stellen wir über die Zeit Abweichungen fest, können wir Sensoren austauschen, ehe sie ausfallen“, sagt Julia Grether. Der Vertrag sieht vor, dass Endress+Hauser im ersten Jahr alle Wartungs- und Kalibrierarbeiten übernimmt. Dann sollen die Mitarbeitenden des Zweckverbands nach entsprechender Schulung selbst Netilion für einfachere Servicetätigkeiten wie die Reinigung von Sensoren nutzen. „Das intelligente Wartungsmanagement hilft, dass sich der Kunde ganz auf seine Kernkompetenz konzentrieren kann“, betont Julia Grether.

„Damit Anlagenbetreiber von Daten aus der Feldebene optimal profitieren können, ist die Kompatibilität von Systemen essenziell.“

Steffen Ochsenreither,

Business Development Manager bei Endress+Hauser

VERKNÜPFUNG DER SYSTEME

„Über Zustandsüberwachung und vorausschauende Wartung wird in der verfahrenstechnischen Industrie schon lange gesprochen. Jetzt nähern wir uns diesen Themen langsam an“, sagt Steffen Ochsenreither, Business Development Manager bei Endress+Hauser. In großen Bestandsanlagen sind aber nicht nur hunderte, sondern tausende Sensoren verschiedener Hersteller verbaut. „Damit Anlagenbetreiber von Daten aus der Feldebene optimal profitieren können, ist die Kompatibilität von Systemen essenziell“, erklärt Steffen Ochsenreither. „Deshalb lässt sich unser IIoT-Ökosystem Netilion auch mit anderen Cloud-Lösungen verbinden.“ Etwa mit dem Asset Intelligence Network (AIN) von SAP, einer cloudbasierten Plattform für die Instandhaltung, auf die Betreiber, Ausrüster und Dienstleistungspartner gemeinsam zugreifen können. Voraussetzung dafür sind definierte Schnittstellen und eine standardisierte Referenzarchitektur, so dass alle Hersteller ihre Daten und Informationen in derselben Struktur bereitstellen.

Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim sowie die Division Crop Science des Chemieund Pharmakonzerns Bayer nutzen SAP AIN, um die Stammdaten ihrer Feldgeräte sowie Angaben über Wartungs- und Kalibrierarbeiten zu verwalten. Das hilft, die Instandhaltung zu optimieren. „Dank einer entsprechenden Schnittstelle können gerätespezifische Daten und Informationen aus der Netilion-Cloud für SAP AIN verfügbar gemacht werden“, erklärt Steffen Ochsenreither. „Die Mitarbeitenden haben ständig Zugriff auf aktuelle Informationen und Dokumente von sämtlichen Feldgeräten. So können sie ihre Aufgaben schneller erledigen, ohne auf herstellerspezifische Lösungen und Plattformen zugreifen zu müssen“, verdeutlicht er die Vorteile. Für den Business Development Manager ist das ein erster Schritt zu noch mehr Transparenz und einer noch tieferen Integration: „Die Verbindung zwischen IT-Systemen wie SAP und der OT-Ebene der Produktionsprozesse eröffnet ganz neue Potenziale für die Digitalisierung“, ist Steffen Ochsenreither überzeugt. „Dadurch lassen sich betriebliche Abläufe über den gesamten Lebenszyklus einer Anlage optimieren – und Wertschöpfungsketten über Unternehmensgrenzen hinweg miteinander verknüpfen.“

Menschen im Hygiene Anzug schauen unter einem Tank nach den Messgeräten

In den großen Anlagen der chemischen und pharmazeutischen Industrie sind tausende Sensoren verschiedener Hersteller verbaut.

Menschen im Hygiene Anzug schauen sich das Messgerät an einer Röhre an

Das IIoT-Ökosystem Netilion verfügt über die not- wendige Schnittstelle, um Gerätedaten und -informationen für andere Plattformen wie SAP verfügbar zu machen.