Aus Daten mehr machen

Daten verändern die Welt. Auch Endress+Hauser schöpft klug aus ihnen – und sorgt so immer wieder für den entscheidenden Unterschied.

Fragen: Kirsten Wörnle
Fotografie: Andreas Zimmermann
Ganzkörperaufnahme Marco Colucci

„Den Korken aus der Datenflasche ziehen“

Viele Firmen der Prozessindustrie sitzen auf einem Schatz aus Daten. Ihn mit zu heben, hat sich Endress+Hauser zur Aufgabe gemacht. „Das Potenzial ist groß“, sagt Marco Colucci, der als Digitalisierungsexperte bei Endress+Hauser den Wandel aus nächster Nähe begleitet.

INNOVATION

Die Digitalisierung der Prozessindustrie verspricht mehr Transparenz bei Geschäftsprozessen und damit neue Einblicke. Wo stehen Ihre Kunden und welche Rolle spielt Endress+Hauser dabei?

Wir möchten, dass unsere Kunden dank wertvoller Einblicke in ihre Prozesse bessere Entscheidungen treffen können – datenbasierte Entscheidungen. In den Anlagen unserer Kunden sind Millionen Endress+Hauser-Geräte verbaut, von denen ein Großteil digital kommunizieren kann. Unsere intelligenten Sensoren liefern umfangreiche Diagnose- und Monitoring-Parameter – Daten, aus denen sich viel schöpfen lässt und die neue Optimierungschancen eröffnen. Allerdings werden derzeit nur weniger als drei Prozent der Daten, die unsere Feldgeräte liefern, von unseren Kunden genutzt.

 

Woran liegt das?

In älteren Bestandsanlagen fehlt oft die digitale Infrastruktur, um an Gerätedaten zu kommen und sie zu übertragen. Die Geräte sind zwar intelligent, aber der Korken steckt quasi noch in der Datenflasche. Außerdem geht es um das Know-how, was man aus den Daten machen kann. Hier kommen wir mit unseren digitalen Services.

 

Wo setzt hier das Angebot von Endress+Hauser an?

Wir sorgen zunächst einmal dafür, dass sich die Prozess- und Gerätedaten aus der Feldebene nahtlos übertragen lassen, etwa über neue Ethernet- und Wireless-Technologien. Aus diesen Datensammlungen und aus Kontextinformationen entwickeln unsere Data Scientists mit ihrem Geräte- und Anwendungswissen dann digitale Applikationen. Sie laufen je nach Anwendung oder Kundenpräferenz lokal über Edge-Computing oder in Netilion, unserem cloudbasierten Ökosystem für das industrielle Internet der Dinge. Sie können aber auch in andere digitale Ökosysteme, also beispielsweise Kundensysteme, integriert werden. Es sind alles Out-of-the-Box-Lösungen, die sofort betriebsbereit sind, ohne dass – wie bei Big-Data-Anwendungen – erst monatelang große Datenmengen gesammelt und ausgewertet werden müssen.

Marco Colucci

leitet den Bereich Digital Strategy & Portfolio bei Endress+Hauser Flow in Reinach. Schon während seiner MBA-Fortbildung beschäftigte sich der studierte Elektrotechniker mit den Chancen der Digitalisierung.

Wo kommen Ihre Anwendungen zum Tragen?

Ein Beispiel ist Netilion Water Network Insights – eine von uns entwickelte cloudbasierte Lösung zur Überwachung von komplexen Wassernetzen. Hier können beispielsweise mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz Starkregenwarnungen oder Verbrauchsvorhersagen eingebunden werden. Und unsere Messgeräte mit Heartbeat Technology senden ständig Daten über ihren Zustand, sodass ein Algorithmus den optimalen Wartungs- oder Kalibrierzeitpunkt ermitteln kann. Das erhöht die Produktqualität, dient der Sicherheit, macht die Instandhaltung effizienter und minimiert Anlagenstillstände. Ein weiteres aussichtsreiches Gebiet ist die Inline-Prozess- und Qualitätskontrolle. Da kommen wir dann in den Bereich der Softsensoren.

 

Was genau sind Softsensoren?

Das sind gewissermaßen virtuelle Sensoren: Dafür werden beispielsweise verschiedene Messgrößen mit Prozess- und Kontextinformationen in einer Anwendung mit Künstlicher Intelligenz zusammengeführt, um eine neue Mess- oder Zielgröße zu berechnen, die physikalisch anhand eines Sensors nicht ermittelt werden kann. Das ist etwa für die Lebensmittelindustrie interessant. Bislang muss dort der Herstellungsprozess unterbrochen werden, wenn ein menschlicher Tester Frischkäse oder Joghurt auf Geschmack und Konsistenz überprüfen soll. Ein Softsensor könnte diese menschlichen Sinne nachahmen und das gleiche Ergebnis liefern – und zwar parallel zum Prozess.

 

Wem gehören die Daten, mit denen Sie arbeiten, und entwickeln Sie letztendlich individuelle Apps?

Die Daten gehören dem Kunden. Aber wir lernen aus ihnen. Das Prozesswissen, das wir gewinnen, möchten wir skalierbar nutzen, um unsere Produkte weiter zu verbessern und neue Lösungen zu entwickeln. Was in Zukunft immer wichtiger werden wird, sind Innovationsverwandtschaften zwischen uns und unseren Kunden und Wertschöpfungspartnern. Digitalisierung funktioniert richtig gut nur in Netzwerken.