Volle Kraft voraus

Frachtschiffe versorgen die Welt rund um die Uhr mit Gütern. Künftig soll das umwelt- und klimafreundlicher geschehen. Doch die neuen Treibstoffe stellen auch neue Anforderungen beim Betanken.
Text: Christine Böhringer
Fotografie: Shutterstock
Ships crossing the world’s oceans are increasingly being required to adopt lower-emission fuels.

Bunkering

Ohne sie würden die globalen Lieferketten nicht funktionieren:58.000 Frachtschiffe sind auf den Meeren unterwegs, um 90 Prozent des Welthandels abzuwickeln, also Container und Massengüter wie Rohöl, Chemikalien oder Getreide zu transportieren. Nach und nach müssen sie das allerdings nach den Vorgaben der Weltschifffahrtsorganisation IMO und vieler Länder immer nachhaltiger tun. Aktuell gibt es schon strenge Schwefelgrenzwerte für Kraftstoffe. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2008 um mindestens 20 Prozent sinken, bis 2040 um mindestens 70 Prozent. Ab 2050 sollen die Frachtschiffe klimaneutral unterwegs sein.

„Für die Schifffahrt bedeutet das, dass sie künftig CO2 abscheiden, speichern und nutzen oder von Schweröl und Marinediesel auf alternative Kraftstoffe umsteigen muss“, sagt Michael Kaiser, der bei Endress+Hauser Flow das Geschäft für Flüssigkeitsmanagement-Lösungen verantwortet. Ideal wären grünes Methanol, Ammoniak und grüner Wasserstoff, doch deren Massenproduktion liegt in weiter Ferne. „Als Übergangstechnologie nimmt deshalb gerade die Verwendung von verflüssigtem Erdgas an Fahrt auf. LNG ist zwar auch ein fossiler Energieträger, im Gegensatz zu Schweröl aber schwefelfrei. Außerdem wird beim Verbrennen 20 Prozent weniger CO2 freigesetzt“, sagt Michael Kaiser.

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Seeschiffe mit LNG-Antrieb werden derzeit gebaut.

Der Wechsel zu LNG fordert jedoch alle Beteiligten heraus. Reedereien müssen Schiffe umrüsten, neu bauen – und Häfen die Infrastruktur schaffen, um diese über Terminals, LKWs oder Bunkerschiffe mit LNG zu betanken. Und weil bei diesen eichpflichtigen Transfers tausende Kubikmeter und damit hohe Geldbeträge die Besitzer wechseln, muss die umgeschlagene Bunkermenge hochgenau gemessen werden. „Endress+Hauser hat dafür eine spezielle Lösung in Zusammenarbeit mit Kunden und Behörden entwickelt. Als erste weltweit wird dabei neben der gelieferten Masse auch die Zusammensetzung des LNG in Echtzeit bestimmt. Daraus lässt sich der Energiegehalt ableiten, der für den Handelswert des LNG ausschlaggebend ist“, erklärt Stephan Natter, Principal Expert Business Development bei Endress+Hauser Flow.

 

QUALITÄTSMESSUNG DIREKT IN DER LEITUNG
Schlüsselkomponenten der Lösung sind zwei Spezialisten für tiefkalte Bedingungen, denn Erdgas ist erst ab – 162 °C flüssig. „Unser Coriolis-Massedurchflussmessgerät Proline Promass Q ermittelt genau die Menge, die Zusammensetzung des LNG analysiert ein System auf Basis der Raman-Spektroskopie als Alternative zur herkömmlichen Gaschromatographie“, sagt Stephan Natter. Bei letzterer muss das LNG zur Analyse erst zeitraubend und aufwändig wieder zu Gas verdampft werden, zudem sind Verdampfer wartungsintensiv. Das Raman-System hingegen besteht aus einer Sonde, die direkt in der LNG-Leitung misst und über ein Glasfaserkabel mit einem auf LNG optimierten Raman-Analysator verbunden ist. Er nutzt Laserlicht und dessen Streuung, um ein chemisches Profil der Probe zu erstellen. „Das System ist damit schnell, sicher und effizient und erfordert weniger technisches Fachwissen beim Bedienen“, sagt Stephan Natter.

Aktuell ist die für den eichpflichtigen Verkehr zugelassene Lösung bereits auf mehreren LNG-Bunkerschiffen weltweit installiert. Die mobilen Tankstellen haben von Monat zu Monat mehr zu tun: Heutzutage kann nur ein Prozent aller Schiffe mit LNG fahren. „Doch die maritime Klassifikationsgesellschaft DNV registriert eine Verschiebung des Auftragseingangsmarktes hin zu Schiffen mit alternativen Kraftstoffen. Derzeit sind über 400 Seeschiffe mit LNG-Antrieb bestellt“, sagt Michael Kaiser. Und Endress+Hauser? „Wir arbeiten bereits an weiteren Innovationen, etwa für das kommende große Thema Methanol, um die Energiewende der Schifffahrt weiter zu unterstützen“, sagt Stephan Natter.