Grüne Wende

Was einmal eine Nische war, ist heute ein Muss. Nachhaltiges Wirtschaften gilt als Schlüssel für eine lebenswerte Zukunft auf der strapazierten Erde. Was hat sich schon verändert? Wo hakt es noch? Und: Spaltet das Thema Nachhaltigkeit die Generationen?

Text: Robert Habi, Ares Abasi, Lisa Schwarz
Fotografie und Illustration: 3st kommunikation, Shutterstock, Stocksy
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1.75 Erden

bräuchte die Menschheit, um ihren heutigen Bedarf an nachwachsenden Ressourcen zu decken. Oder anders gesagt: Seit dem 2. August 2023 lebt die Menschheit für das restliche Kalenderjahr auf Pump. Diesen Erdüberlastungstag bestimmt das Global Footprint Network jedes Jahr. Seit Beginn der Berechnungen 1971 verbrauchen wir mit wenigen Ausnahmen Jahr für Jahr mehr natürliche Ressourcen. Zum Verständnis: Wollten alle Menschen auf der Welt so leben wie die Bewohner der USA, würden sie die Ressourcen von 5,1 Erden benötigen; entspräche ihre Lebensweise jener der Bevölkerung Indiens, wären 0,8 Planeten ausreichend.

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Die Farbe der Revolution

Die Farbe Grün steht heute für Nachhaltigkeit – eine Rolle, die ihr in der Menschheitsgeschichte häufiger zuteilwurde. Schon im alten Ägypten war Grün das Symbol für Regeneration und Wiedergeburt. Im Englischen und auch im Deutschen entspringt das Wort etymologisch dem germanischen „ghro“, was für wachsen steht und im Englischen „grow“ nahezu übernommen wurde. Der grüne Pflanzenfarbstoff, der das Leben auf der Erde ermöglicht – das Chlorophyll – setzt sich aus den altgriechischen Worten für hellgrün und Blatt zusammen. Und obwohl das Grün je nach Jahrhundert oder Region auch schon für Liebe, Gift oder Neid stand, versinnbildlicht die Farbe heute wieder das Bewusstsein für die Natur. Doch Achtung: Die Farbe muss aufrichtig verdient sein. Greenwashing, also der Anstrich mit scheinbar grünen Errungenschaften, wird öffentlich geächtet.

Zurück zu den Wurzeln

Im Jahr 1713 formulierte der kurfürstlich-sächsische Kammer- und Bergrat Hans Carl von Carlowitz die Grundlage für das Verständnis von Nachhaltigkeit. Er bezog sich damals auf den wichtigsten Rohstoff für Bau, Energie und Industrie: Holz. In seinem Werk „Sylvicultura oeconomica“ erklärte er: Es soll immer nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch planmäßige Aufforstung, durch Säen und Pflanzen nachwachsen kann. Dieses Grundprinzip hat bis heute Bestand. Das Wort Nachhaltigkeit selbst entstand erst später. Genauso wandelte sich das Verständnis hin zur heutigen Bedeutung, wonach die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen sind, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden.

„Wir müssen nach Verhalten, Entscheidungen und Denkweisen suchen, die unser Leben in eine nachhaltige Richtung lenken. Das bedeutet das komplette Gegenteil von dem, was wir heute tun. Es ist ein bisschen wie im Heißluftballon: Wenn Du die Richtung ändern willst, musst Du die Flughöhe ändern.“

Prof. Dr. Bertrand Piccard, Psychiater, Abenteurer und Solar-Pionier, Gründer der Solar Impulse Foundation

Wie grün ist die Generation Z?

Die einen bringen mit „Fridays for Future“ und Greta Thunberg den Klimaschutz immer wieder auf die politische Bühne. Die anderen haben die Ökobewegungen ins Leben gerufen, aber auch die Wegwerfgesellschaft und die fossile Wirtschaft mitgeprägt. Zwischen der Alterskohorte um die Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) und den Babyboomern (zwischen 1946 und 1964 zur Welt gekommen) gibt es immer wieder Diskussionsbedarf. Aber: Welche Generation lebt wirklich nachhaltiger? In Sachen Konsum zeigt eine Umfrage in 17 Ländern eine Tendenz.

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„Ich habe mein Verhalten in den letzten fünf Jahren signifikant oder komplett in Richtung Nachhaltigkeit verändert.“

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„Ich bin bereit, mehr Geld für Nachhaltigkeit auszugeben.“

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Quelle: Global Sustainability Study 2021

Weit oben auf der Liste…

Der Klimawandel wird an Platz zwei der dringlichsten Probleme für Unternehmen gesehen. Das ergab eine Umfrage der Beratungsfirma Deloitte bei mehr als 2.000 internationalen Führungskräften der obersten Ebene. Das Thema landet damit vor Herausforderungen wie Lieferkettenproblemen oder dem Fachkräftemangel. 

Weit oben auf der Liste

Willkommen im Anthropozän? 

Leben wir in einem neuen, vom Menschen geprägten Erdzeitalter, dem Anthropozän? Eine internationale Gruppe aus Geologen hat dafür neue Belege gefunden. Und zwar auf dem Grund eines Sees in Kanada. In ­dessen sehr gut erhaltenen Erdsedimenten fanden die Forschenden viele sogenannte Marker: Sie zeigen zum Beispiel den Anstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre, den Eintrag von Mikroplastik, das Aussterben von Arten oder die Spuren der Atombombenversuche. Alles menschengemachte Phänomene, alle haben seit den 1950er-Jahren drastisch zugenommen. Folgt die Wissenschaftsgemeinde der These, wäre das aktuell etwa 11.700 Jahre laufende Holozän, die Nacheiszeit, seit etwa 70 Jahren von einem neuen Zeitalter abgelöst. Eine Entscheidung könnte im Sommer 2024 fallen.