Die Muster der Welt

Rebecca Page arbeitet als Datenwissenschaftlerin bei Endress+Hauser. Sie gewinnt aus einer Fülle verschiedener Daten neue Erkenntnisse, mit denen Anlagenbetreiber Prozesse optimieren und bessere Entscheidungen treffen können.

Text: Kirsten Wörnle
Fotografie: Andreas Mader
Rebecca Page

DATENWISSENSCHAFT

Als Dr. Rebecca Page an diesem Morgen ins Büro fährt, glitzert der Asphalt. Ein Sommergewitter hat nach Tagen der Hitze Abkühlung gebracht. Die Birs, ein Fluss in der Nähe des Endress+Hauser Sitzes im schweizerischen Reinach, ist angeschwollen, ihr Wasser trüb. Für die meisten ist das nichts als ein Wetterereignis. Für Rebecca Page aber ist es ein Signal: Mit Mikroben belastetes Flusswasser könnte in die Grundwasserfassungen einsickern und das Trinkwasser verschmutzen. Die Brunnenmeister müssen raus und Proben ziehen. Genau für solche Situationen arbeitet Datenwissenschaftlerin Rebecca Page an einem Frühwarnsystem. Es soll einmal berechnen, welche Brunnen zu verschmutzen drohen, und rechtzeitig alarmieren.

Vorhersagen ohne Probe und Labor, stattdessen mit Messwerten und Mathematik: Das ist die Aufgabe, der sich Rebecca Page als Expert Data Scientist jeden Tag aufs Neue widmet. Beim Frühwarnsystem für Trinkwasserverschmutzung arbeitet sie aus verschiedensten Mess-, Strömungs- und Simulationsdaten die Zusammenhänge heraus. Auch tüftelt sie daran, woran man die Qualität eines Milchprodukts ablesen kann, ohne es zu probieren. Oder wie man die teuren Flockungsmittel in Eindickern so genau dosiert, dass möglichst viel wertvolles Metall aus Schlick und Schlamm herausgelöst wird, ohne etwas zu verstopfen.

„Mich fasziniert immer wieder, wie man aus verschiedenen physikalischen Messungen und anderen Informationen etwas Neues ableiten kann“, sagt die Expertin, die aus Rohdaten, Messdaten und Prozessdaten schöpft. Hinzu kommt das weite Feld der Kontextdaten: Dafür schaut sie etwa, ob es Sommer ist oder Winter. Ob Sonntag oder Montag. Oder, wie beim Milchprodukt: ob die Kühe auf der Weide waren oder im Stall.

„Ich stehe mit einem Bein beim Anwender, mit dem anderen in der Wissenschaft“, sagt die Umweltingenieurin, die sich während ihrer Promotion in Data Science eingearbeitet hat. Neben technisch-logischem Verständnis braucht es Abstraktionsvermögen und eine große Portion Beharrlichkeit. Allein das Data Engineering, sprich, das Aufbereiten von Datensätzen, frisst Tage. „Wenn Daten nicht valide sind, dann sind es auch die abgeleiteten Insights nicht“, erklärt sie. Dann können auch keine Algorithmen sinnvoll trainiert werden, die später etwas automatisch erkennen sollen. Zusammenhänge so zu beschreiben, dass sie in einen Code gegossen werden können, der skalierbar ist, das ist die große Herausforderung.

„Machine Learning ist kein magisches Pülverchen, das alle Probleme löst“, sagt Rebecca Page. Gleichwohl ist es ein Werkzeug, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette neuen Nutzen schafft. Und so wächst die Endress+Hauser Community für Künstliche Intelligenz, die Rebecca Page maßgeblich mit vorantreibt. Männer und Frauen aus vielen Fachbereichen werfen sich die Bälle zu. Sie alle eint das Verständnis für Prozesse und der Spürsinn für Zusammenhänge. Es ist eine Arbeit, die Rebecca Page Tag für Tag beflügelt. Und die sich längst auch in ihr privates Leben geschlichen hat: „Wenn man durch die Welt läuft, sieht man plötzlich überall die Muster.“

„Ich stehe mit einem Bein beim Anwender, mit dem anderen in der Wissenschaft.“

Rebecca Page

Expert Data Scientist