Der Brückenbauer
Jawad Tayyub entwickelt mit seinem Team KI-Lösungen für die Messgeräte der nächsten Generation und eine moderne Produktionstechnik. Er wirbt für die Chancen, die die neue Technologie bietet – und für den Austausch zwischen Forschern und Praktikern.
„Viele Menschen empfinden Künstliche Intelligenz als unheimlich oder gar als bedrohlich. Sie befürchten, dass diese ihnen eines Tages den Job wegnehmen könnte. Doch ich glaube nicht, dass das so schnell passieren wird. KI kann uns Menschen immens helfen. Sie kann zum Beispiel einen Teil unserer Aufgaben übernehmen, vor allem die unangenehmen und monotonen. Unser kreatives Denken kann sie aber nicht ersetzen und auch nicht unsere Fähigkeit, komplexe Entscheidungen zu treffen.
Als KI Wissenschaftler im Kompetenzzentrum für Füllstandsund Druckmesstechnik entwickle ich KI Algorithmen für unsere Fertigung und für die Messtechnik der nächsten Generation. Zudem möchte ich als Teil der gruppenweiten KI Wissenscommunity im gesamten Unternehmen ein Bewusstsein für die Chancen schaffen, die die Technologie für uns bietet.
Eines ist mir dabei wichtig: KI ist kein Voodoo, KI ist gehobene Statistik. Große KI Sprachmodelle wie ChatGPT können präzise Antworten auf Fragen geben, weil wir Menschen sie auf ähnliche Fragen gegeben haben. Wir haben tonnenweise Informationen im Internet aufgeschrieben und das generative Modell hat daraus gelernt, nach welchen statistischen Mustern Sprache funktioniert. Wenn wir es fragen, nutzt es diese erlernten Muster, um Antworten zu generieren, indem es so Wort an Wort reiht. Aber es versteht oft nicht den Sinn dahinter und auch nicht die Regeln, die dem von ihm produzierten Inhalt zugrunde liegen.
Ein Beispiel dafür ist das Multiplizieren. Einfache Aufgaben wie sechs mal sechs können die Modelle ohne Probleme ausrechnen. Doch wenn man sie bittet, zwei fünfstellige Zahlen miteinander zu multiplizieren, liegen sie daneben. Der Grund dafür: Sie haben nicht genügend Beispiele für solche Probleme erhalten, um zu lernen, wie sie die richtigen Antworten geben.
Dr. Jawad Tayyub arbeitet als AI Research Scientist im Endress+Hauser Kompetenzzentrum für Füllstandsund Druckmesstechnik. Der Informatiker und Experte für Künstliche Intelligenz forschte davor an der englischen Universität Leeds.
Trotzdem kann uns KI in allen Bereichen des Unternehmens helfen und Fleißaufgaben übernehmen wie das Überprüfen von Produkten auf optische Mängel oder die Analyse großer Textmengen. Das funktioniert aber nur, wenn wir ausreichende und passende Daten zur Verfügung haben, um die KI zu trainieren. Insbesondere in der Entwicklung ist das der Fall. Dort beruht alles auf Standards: Dokumente, die teilweise hunderte Seiten umfassen. Wenn wir es anpassen, könnten die Kollegen und Kolleginnen ein großes Sprachmodell nutzen, um schnell die gewünschten Informationen aus diesen Dokumenten zu ziehen.
Egal, um was es geht: Mein Team und ich finden den optimalen Algorithmus für den jeweiligen Anwendungsfall. Vor allem komplexe Produktionstätigkeiten erfordern sehr ausgefeilte, hochgradig maßgeschneiderte Lösungen. Zuletzt haben wir für die Mitarbeitenden dort zum Beispiel eine neue neuronale Netzwerkarchitektur entwickelt. Das Modell, das von den in der Medizin verwendeten Neuronalen Netzen inspiriert ist, erkennt die Schweißnahtkante zwischen zwei Metallen automatisch und mit hoher Genauigkeit.
KI ist eine junge, aufstrebende Technologie. Jede Woche bringt neue Algorithmen und Modelle hervor. Mittlerweile gibt es über 200. Ich arbeite regelmäßig mit Professorinnen und Professoren aus Deutschland und England zusammen, gehe auf Konferenzen und betreue Abschlussarbeiten von Studierenden. Es ist wichtig, dass wir diesen Wissenstransfer ausbauen, um vorne dabei zu sein und um immer bessere Lösungen zu finden.“
Veröffentlicht am 05.09.2024, zuletzt aktualisiert am 16.09.2024.
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