Der Zeit voraus

Gaskraftwerke gelten als Brückentechnologie bei der Energiewende. Doch dafür müssen sie effizient, flexibel und wirtschaftlich arbeiten. Die Anlagen des Energieerzeugers KMW schaffen das – dank innovativer Ideen, intelligenter Systeme und moderner Technik.

Text: Christine Böhringer
Fotografie: Christoph Papsch, KMW
Clamp-On-Ultraschal­l­sensoren

An die Kohlezeiten der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG (KMW) erinnert nur noch eine Holzfigur der Heiligen Barbara. Die Schutzpatronin der Bergleute steht in der Leitwarte des Energieerzeugers aus Rheinland-Pfalz und wacht dort über die Leistung der Anlagen und die Geschicke der Mitarbeitenden. „Die Figur ist vom Abriss unserer drei Kohleblöcke übriggeblieben“, sagt Thomas Zimmerer, Mitarbeiter Elektro- und Leittechnik im Geschäftsfeld Technik. Bereits 2000 stieg das Unternehmen auf Gas um – und behauptet sich seitdem mit hocheffizienten Anlagen und Flexibilität auf dem durch die Erneuerbaren Energien zunehmend volatilen deutschen Strommarkt.

PATENTIERTE WARMHALTEMETHODE

Schon der Brennstoffwechsel stand im Zeichen von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Das damals neu erbaute Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) mit 400 Megawatt Leistung verringerte auf einen Schlag den CO2-Ausstoß um 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr – und ist bis heute eines der effizientesten der Welt. Der Netto-Wirkungsgrad beträgt 58,4 Prozent, durch das Auskoppeln von Prozessdampf und Fernwärme kann der Gas-Nutzungsgrad auf 80 Prozent gesteigert werden. Zudem wird der Dampf des eigenen Müllheizkraftwerkes nebenan mit zur Stromerzeugung und zum Warmhalten von Bauteilen genutzt: „Damit lässt sich der Block selbst nach zwei Tagen Stillstand in einer halben Stunde voll hochfahren“, berichtet Thomas Zimmerer.

Vor einigen Jahren machte sich die KMW jedoch erneut an eine Kraftwerksplanung. Der Versorger stand vor neuen Herausforderungen: Zum einen sinken die Einsatzzeiten deutscher Gaskraftwerke durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Verfall der Börsen-Strompreise. Zum anderen wird in der Region mehr Fernwärme benötigt. „Das GuD-Kraftwerk kann aber nur dann sinnvoll wirtschaftlich betrieben werden, wenn sich die Einsatzzeiten in erster Linie nach dem Strommarkt richten und nicht nach den Notwendigkeiten der Fernwärmeversorgung“, erklärt Thomas Zimmerer.

SCHNELL AUF VOLLER LEISTUNG

Die Lösung bietet ein 2021 in Betrieb genommenes, 115 Millionen Euro teures Blockheizkraftwerk (BHKW). Zehn baugleiche Gasmotoren mit 100 Megawatt elektrischer und 90 Megawatt thermischer Gesamtleistung können in zweieinhalb Minuten an- und abgefahren werden. Sie nutzen mit über 85 Prozent die Energie des Erdgases sehr effizient aus. „Sind die Strompreise gut, gibt es also wenig Sonne oder Wind, läuft das BHKW schnell an. Die Wärme wird ausgekoppelt und bei wenig Bedarf in drei neuen Wärmespeichern mit insgesamt 12.000 Kubikmetern zwischengespeichert“, sagt Thomas Zimmerer. Das ergibt einen Puffer von bis zu 750 Megawatt thermischer Leistung.

In der Anlage steckt die Technologie des finnischen Generalunternehmers Wärtsilä Energy Solutions – und das Know-how von Messtechnik-Hauptlieferant Endress+Hauser. Mehr als 300 Geräte überwachen die Kühl- und Heißwasserprozesse und die Hilfskreisläufe. Direkt von KMW wurde Endress+Hauser zudem mit der Instrumentierung der Wärmespeicher beauftragt. Über 120 Temperaturfühler nehmen deren Wärmeprofil auf; auch wird das Speisewasser analysiert. Ganz am Anfang des BHKW erfassen zudem Coriolis-Durchflussmesser exakt die eingespeiste Gasmenge. Viele Messstellen sind nach dem Prinzip „zwei aus drei“ ausgelegt: Drei Sensoren messen unabhängig voneinander, so dass bei Ausfall eines Gerätes noch zwei Werte verfügbar sind.

Blockheizkraftwerk

1. Das neue Blockheizkraftwerk kann in nur zweieinhalb Minuten an- und abgefahren werden.

Clamp-On-Ultraschallsensoren

3. Clamp-On-Ultraschallsensoren werden überall in der Anlage eingesetzt.

Cerabar-S-Drucktransmitter

2. Cerabar-S-Drucktransmitter überwachen die Funktion der Anlage.

KMW

KMW ist ein kommunaler Energieerzeuger aus Mainz mit über 450 Mitarbeitern. Am Standort Ingelheimer Aue werden mit konventionellen Anlagen Strom, Dampf und Fernwärme erzeugt. Im Portfolio finden sich zudem Wind- und Solarparks, eine Power-to-Heat- und eine Power-to-Gas-Anlage.

BERÜHRUNGSLOSE MESSUNG

Dass Endress+Hauser den Zuschlag bekam, ist kein Zufall. „Wir machen unsere Kaufentscheidungen immer von den Erfahrungen mit der jeweiligen Messtechnik abhängig“, sagt Thomas Zimmerer. Unter anderem schätzt er die Clamp-On-Ultraschall-Sensoren: „Wir sind hier mit der Sicherheit, der Messstabilität und der Genauigkeit sehr zufrieden.“ Weitere Pluspunkte sind für ihn die leichte Bedienbarkeit aller Geräte sowie der Umstand, dass Endress+Hauser komplett die Montage mit Verrohrung und Inbetriebnahme mit anbieten kann. Und auch das Menschliche stimmt: „Die Zusammenarbeit mit KMW macht Spaß“, sagt Endress+Hauser Mitarbeiter Horst Theobald, der das Unternehmen im Außendienst betreut. „Auch weil hier viel Innovationsgeist zu spüren ist!“