Zukunft: Läuft!

Die Energiewende wirft tausende neue Fragen auf und erweist sich damit als Katalysator für viele kluge Ideen. Überall bringen Unternehmen Lösungen mit Aha-Effekt hervor – wie diese.

Text: Christine Böhringer
Grafik: 3st
Mikroorganismen als CO2-Fresser
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MIKROORGANISMEN ALS CO2-FRESSER

Die Zementindustrie steht bei der Energiewende vor besonders großen Herausforderungen: Sie sorgt für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Ebenso wie in der Kalkindustrie sind zwei Drittel davon prozessbedingt, lassen sich also nicht vermeiden. Deshalb verfolgen die Industrien gerade viele Ansätze, um CO2 abzuscheiden. Doch wohin mit den riesigen Treibhausgas-Mengen? Eine neue Lösung bieten Bioreaktoren, in denen Mikroorganismen grünen Wasserstoff und das CO2 schnell in Biomethan umwandeln, das direkt ins Gasnetz eingespeist werden kann. Der Vorteil: Das CO2 muss vorher nicht gereinigt werden, die Organismen können auch mit verunreinigtem Gas sehr gut arbeiten. Die Technologie wurde jüngst bei einem Forschungsprojekt in der Schweiz erprobt. Endress+Hauser war mit Druck- und Temperaturmesstechnik sowie Durchflussmessgeräten für Wasserstoff und Biomethan dabei. Nun wird die Technologie auf Anlagen im kommerziellen Maßstab übertragen. Ein Pilotprojekt in Belgien bei einem Kalkhersteller soll bald starten – Ziel ist es, dort bis zu 90.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu recyceln und bis zu 15.000 Haushalte mit Biomethan zu versorgen.

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MEHR POWER FÜR SOLARTURMKRAFTWERKE

In Solarturmkraftwerken reflektieren hunderte Spiegel das Sonnenlicht auf die Turmspitze. Dort wandelt ein Receiver die auftreffende konzentrierte Strahlung in Wärme um und gibt sie an ein Trägermedium ab. Meist ist das Flüssigsalz: Es kann besonders hohe Temperaturen aufnehmen; diese Energie lässt sich kostengünstig in Salztanks speichern und auch nachts zu einem Dampferzeuger für die Stromproduktion transportieren. Bislang liegt die maximale Betriebstemperatur solcher Kraft-werke bei 565 Grad Celsius. Das Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) will das ändern: Ein Konsortium aus Industrie- und Forschungspartnern unter Leitung des DLR hat in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt einen neuen Receiver entwickelt, der Temperaturen bis 600 Grad Celsius ermöglicht. Jetzt geht es darum, die zugehörigen Kreisläufe an diese Salztemperatur anzupassen. „Herausforderungen bei dieser Anwendung sind die Dichteschwankungen des Salzes, die chemische Beständigkeit der Materialien und die sehr hohen Temperaturen“, sagt Markus Schmitz, der bei Endress+Hauser das Projekt initiiert hat. Um den Durchfluss zwischen den Speichertanks genau erfassen zu können, empfahl Endress+Hauser eine Durchflussmessung basierend auf Differenzdruckmesstechnik. Die Sensoren werden nun im Salzkreislauf getestet. „Erfüllen die Druckmittler die hohen Anforderungen, haben wir die Lösung für diese neue schwierige Applikation gefunden“, so Markus Schmitz.

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SCHLAFEN MIT KOHLENDIOXID-TECHNOLOGIE

Covestro gehört zu den weltweit größten Polymerherstellern und richtet sich als Vorreiter der Kunststoffindustrie komplett auf die Kreislaufwirtschaft aus: Unter anderem will das Unternehmen fossile Rohstoffe wie Erdöl durch Alternativen ersetzen. CO2 spielt eine zentrale Rolle – denn in ihm steckt ebenfalls das essenzielle Element Kohlenstoff. Gemeinsam mit Partnern hat Covestro ein bahnbrechendes Verfahren entwickelt, mit dem bis zu 20 Prozent CO2 in einem chemischen Baustein für Kunststoffe integriert und entsprechende Mengen Erdöl eingespart werden. Das Produkt dient bisher vor allem dazu, weiche Schaumstoffe herzustellen, etwa für Matratzen. Was einfach klingt, ist in Wirklichkeit kompliziert. „Kohlenstoff geht nur ungern chemische Verbindungen ein“, erklärt Jörn Matthies, Global Strategic Account Manager bei Endress+Hauser. „Doch mit Hilfe eines speziellen Katalysators von Covestro und dem Catalytic Center Aachen ist diese schwierige Reaktion endlich gut möglich.“ Das neue Material stellt Covestro in Dormagen her. Das nötige CO2 fällt im Abgasstrom nahegelegener Chemiewerke an. Überwacht wird der Prozess von Endress+Hauser Geräten. Auch andernorts setzt Covestro auf das Know-how des Partners. „Wir sind weltweiter Standardlieferant für Durchfluss-, Füllstand-, Temperatur- und Analysemesstechnik“, erklärt Jörn Matthies.