Starke Beziehung
Wie gewinnt ein Unternehmen das Vertrauen der Kunden? Klaus Endress und Matthias Altendorf wissen: Gute Geschäftsbeziehungen müssen wachsen. Und es kommt dabei vor allem auf die Menschen an.
„Niemand hätte Anfang 2021 zu hoffen gewagt, dass wir zum Jahresende so gut dastehen!“
Klaus Endress,
Verwaltungsratspräsident der Endress+Hauser Gruppe
Herr Altendorf, Herr Endress, die Firmengruppe blickt auf ein sehr gutes Jahr zurück. War das abzusehen?
Altendorf: Nein, das hatten wir so nicht erwartet. Die immer neuen Wellen der Pandemie hatten uns vorsichtig gestimmt. Unser Ziel war, 2021 die Corona-Delle wieder auszubügeln. Dass wir deutlich über das Niveau von 2019 hinauskommen würden, das war zumindest in der ersten Jahreshälfte nicht absehbar.
Endress: Niemand hätte Anfang 2021 zu hoffen gewagt, dass wir am Ende so gut dastehen… Es war nach unserer Definition sogar ein „bestes Jahr“: Auftragseingang, Umsatz, Gewinn und Beschäftigung waren so hoch wie nie zuvor.
Familie und Verwaltungsrat sind also zufrieden mit dem Geschäftsjahr?
Endress: Zufrieden bin ich nie… Man kann immer alles noch besser machen. Aber ich bin froh und glücklich über dieses Ergebnis – und ich bin stolz auf das Unternehmen und die Menschen!
Was war ausschlaggebend für die gute Entwicklung?
Altendorf: Die Wirtschaftslokomotive China hat gut gezogen. Die USA sind ebenfalls schnell aus der Krise gekommen – und in der Folge auch Europa, das viel in die beiden Regionen exportiert. Gut die Hälfte dieses Wachstums geht wohl auf Nachholeffekte zurück. Aber auch die globalen Treiber haben gewirkt – Gesundheit, Energie, Ernährung… Wir haben hohe Investments in pharmazeutische Anlagen gesehen, auch in Elektromobilität und die Energiewende. Unsere strategischen Branchen haben sich allesamt gut entwickelt, die zyklischen und die azyklischen.
Endress+Hauser hat sich besser entwickelt als der Markt.
Woher rührt dieser Erfolg?
Altendorf: Kundennähe ist ein wichtiger Faktor, ein anderer Innovationskraft. Unsere Kunden müssen wahrnehmen, dass wir sie dabei unterstützen können, besser zu werden. Dazu kommt: Bei Endress+Hauser steht nicht das kurzfristige Ergebnis im Vordergrund, sondern das langfristige Ziel. Wir ändern nicht den Kurs, nur weil der Wind mal von vorne bläst. Vor allem aber stellen wir die Menschen in den Mittelpunkt. Haupttreiber unseres Erfolgs sind die Mitarbeitenden, die das alles zustande bringen!
Endress: Alle haben sich angestrengt. Wir stehen zu unseren Mitarbeitenden, und sie stehen zu uns. Wir hatten gleich zu Beginn der Pandemie klargemacht, dass wir alle Menschen an Bord behalten möchten. Dass wir Kurzarbeit vermeiden werden. Dass wir keine Investitionen stoppen. Und das schafft natürlich eine besondere Beziehung. Wir arbeiten alle für ein gemeinsames Ziel. Dabei kommt immer etwas Großartiges heraus.
Nach einer deutschen Studie ist Endress+Hauser die vertrauenswürdigste Marke in der Messtechnik. Woher kommt dieses Vertrauen?
Altendorf: So etwas entsteht nicht über Nacht. Dieses Vertrauen ist über Jahrzehnte gewachsen. Und wir müssen es uns immer wieder neu verdienen.
Ist dieses Vertrauen in der Pandemie noch gewachsen?
Altendorf: In anspruchsvollen Zeiten zeigt sich, wie belastbar eine Beziehung ist, auch eine Geschäftsbeziehung – und Endress+Hauser war verlässlich, auch in extremen Situationen.
Endress: Wir haben geliefert in der Pandemie. Über 90 Prozent der Lieferterminversprechen haben wir eingehalten im vergangenen Jahr. In einer Zeit, in der Lieferwege unterbrochen waren und Teile gefehlt haben. Und wir haben die Situation nicht ausgenutzt. Die Grundlage für Vertrauen ist Respekt. Kunden haben ein feines Gespür dafür, wie man sie behandelt. Sie vergessen so etwas nicht.
Altendorf: Wir genießen dieses Vertrauen im Markt wegen der Menschen im Unternehmen. Mitarbeitende, Management und Gesellschafter bei Endress+Hauser teilen einen Wertekanon. Verantwortung, Vertrauen, Verbindlichkeit gehören dazu. Wir versuchen in unserer täglichen Arbeit, diese Werte zu leben. Mir kommt dazu der Bankier Alfred Herrhausen in den Sinn. Der hat einmal gesagt: „Wir müssen das, was wir denken, sagen. Wir müssen das, was wir sagen, tun. Und wir müssen das, was wir tun, dann auch sein.“
Die Firmenkultur ist stark von der Gesellschafterfamilie geprägt.
Um welche Themen drehen sich Ihre Gespräche?
Endress: Unter anderem geht es um Nachfolge-Fragen. Wir haben in unseren Gremien eine Altersgrenze von 75 Jahren. Das bedeutet, dass mein älterer Bruder Hans-Peter Endress dieses Jahr den Verwaltungsrat verlassen hat. Die Nachfolge haben wir Jahre im Voraus geregelt und längst verkündet: Nachgerückt ist meine Nichte Sandra Genge. Sie war als Gast in den vergangenen zwei Jahren bei den Sitzungen und Veranstaltungen des Verwaltungsrats mit dabei und hat sich gründlich auf ihre Aufgabe vorbereitet. Jetzt hat sie offiziell als Verwaltungsrätin übernommen. Für meine Nachfolge ist ebenfalls alles geregelt. Auch das war ein Prozess über Jahre. Das alles läuft reibungslos, weil wir uns viel Zeit nehmen und viel Mühe geben. In einem Familienunternehmen kann man das so tun.
„In anspruchsvollen Zeiten zeigt sich, wie belastbar eine Beziehung ist – und Endress+Hauser war verlässlich.“
Matthias Altendorf,
CEO der Endress+Hauser Gruppe
„Wir arbeiten alle für ein gemeinsames Ziel. Dabei kommt immer etwas Großartiges heraus.“
Klaus Endress,
Verwaltungsratspräsident der Endress+Hauser Gruppe
Wichtig für die Zukunft ist auch die neue Strategie 2027+ der Firmengruppe. Wo setzt sie Akzente?
Altendorf: Im Wesentlichen schreiben wir unsere bisherige Strategie fort. Das Thema Digitalisierung ist konkreter geworden; wir haben gesehen, wo wir noch etwas tun müssen. Die Entwicklung unseres Geschäfts in Asien und Amerika, wo unsere Marktanteile noch niedriger sind als in Europa, ist eine langfristige Aufgabe. Umweltschutz, Klimaschutz und Energiewende beschäftigen unsere Kunden und die Gesellschaft. Wir können hier einen guten Beitrag leisten, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Im Hinblick auf die Menschen verändern sich mit der Digitalisierung die Arbeitswelten. Wir müssen einen Weg finden, unsere Firmenkultur in diesen digitalen und globalen Arbeitswelten gut zu leben, damit wir unsere Kundennähe und unseren Zusammenhalt nicht verlieren.
Was kennzeichnet die Strategie 2027+ in Ihren Augen, Herr Endress?
Endress: Was ich besonders finde, ist das Ziel, als ein Unternehmen zu handeln und wahrgenommen zu werden. Wir haben eine bewährte Struktur bei Endress+Hauser, mit Sales Centern, Product Centern, Holding- und Supporteinheiten. Diese Struktur fördert eine bestimmte Logik in diesen Einheiten. Wir müssen die Dinge jedoch von den Kunden aus denken. Das möchten wir mit übergreifenden Geschäftsprozessen erreichen, von den Kunden zu uns und wieder zurück.
Ein Thema der Strategie ist die Energiewende. Muss Endress+Hauser nicht fürchten, angestammtes Geschäft zu verlieren?
Altendorf: Nein, ich glaube nicht, dass Geschäft in Gefahr ist. Zum einen ist unser Anteil am Öl- und Gas-Markt sehr klein; wir sind da kein großer Spieler. Zum andern ist das Öl nicht von heute auf morgen weg. Das ist eine Entwicklung über mehrere Dekaden. Neue Energieträger wie grüner Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe kommen hinzu, lösen fossile Quellen wie Kohle und Öl ab. Das bedeutet andere oder angepasste Prozesse. Aber auch in diesen neuen Anwendungen muss man messen, um eine Anlage zu steuern.
„Wir werden wachsen und uns entwickeln – und versuchen, unsere Kunden glücklich zu machen.“
Matthias Altendorf,
CEO der Endress+Hauser Gruppe
Kommen wir zum Ausblick: Was erwarten Sie für das laufende Jahr?
Altendorf: Politisch bereiten die bekannten Krisenherde wie der Russland-Ukraine-Konflikt Sorge. Volkswirtschaftlich schafft die Inflation Unsicherheit. Das größte konjunkturelle Risiko sehe ich in den Ländern, die einer Zero-Covid-Strategie folgen. Natürlich hoffen wir, dass sich die Pandemie nun zur Endemie wandelt. Sobald geöffnet wird und die Menschen wieder in Bewegung kommen, wird das die Weltwirtschaft beleben. Deshalb gehen wir für 2022 grundsätzlich von Wachstum aus. Ob ein- oder zweistellig, ist für mich nicht wichtig. Wir werden wachsen und uns entwickeln – und versuchen, unsere Kunden glücklich zu machen.
Ihre Einschätzung, Herr Endress?
Endress: Unsere Welt ist jetzt seit über zehn Jahren fragil. Und in einer fragilen Welt besteht die einzige Chance für ein Unternehmen darin, sich auf die Kunden zu fokussieren. Das ist das einzig Zuverlässige über die Zeit. Wir werden unsere Kunden unterstützen, wo immer wir können, und das bestens. Wir haben tolle Produkte. Messtechnik heißt immer: Effizienz, Qualität, Umweltschutz… das alles steckt da drin. Da können wir gar nicht falsch liegen. Wenn wir es richtig machen, haben wir in hundert Jahren immer noch genügend Arbeit!
Zum Schluss eine persönliche Frage… Was würde für Sie 2022 zu einem richtig guten, zu einem „besten“ Jahr machen?
Altendorf: Dass wir die Pandemie überwinden, ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit zurückgewinnen und unser Leben wieder verlässlich planen können. Das bedeutet Lebensglück und Zufriedenheit!
Endress: Wenn die Welt politisch wieder zur Ruhe kommt und die Staatengemeinschaft den Klimawandel angeht – das wäre für mich das Allergrößte!
Langfristiger Ausblick: Endress+Hauser hat 2021 die großen Investitionsvorhaben wie geplant umgesetzt.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit: Matthias Altendorf (rechts) im Gespräch mit Klaus Endress.
Veröffentlicht am 15.04.2022, zuletzt aktualisiert am 18.07.2022.
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