Servicefälle unter der Lupe

Ob Einkauf oder Logistik: Endress+Hauser setzt KI schon vielerorts ein, um Transparenz zu schaffen und Prozesse zu optimieren. Unter an­derem wird mit einer besonderen Anwendung die Produktqualität im Feld überwacht.

Text: Kirsten Wörnle
Illustration: Teresa Wagner

Sie analysiert riesige Daten­mengen, erkennt Muster, zieht Schlüsse und lernt ständig dazu: Das sind die Eigenschaften, Servicefälle die Künstliche Intelligenz für Unternehmen so interessant machen. Auch Endress+Hauser nutzt die Technologie, um Prozesse zu durchleuchten, sie zu verbessern oder zu automatisieren. So kommt sie zum Beispiel beim Verarbeiten von Gerätespezifikationen zum Einsatz, beim Überprüfen von Schweißnähten oder bei der Wahl des besten Versandweges. Bei drei Millionen produzier­ unter der Lupe ten Einheiten im Jahr sind die Effizienzgewinne groß – die KI spart Zeit und vermeidet Fehler.

Aber auch, wenn die Sensoren im Feld laufen, hilft KI: In Echtzeit überwacht Endress+Hauser mit der cloudbasierten Anwendung Product Lens, wie sich die Messgeräte weltweit bewähren, um da­ raus zu lernen und möglichen Problemen zuvorzukommen. Pro­duct Lens durchsucht dafür jede Nacht die hauseigene Gerätedaten­ bank mit Einträgen zu 60 Millionen Instrumenten, erkennt neue Servicefälle und gleicht sie mit den vergangenen ab. Häufen sich die Einsätze zu einem Gerätetyp, analysiert sie die dazu­ gehörigen Serviceberichte der Techniker und identifiziert dann jene Fälle, die auf Anomalien hindeuten könnten.

Simpel ist das nicht. Denn in der Regel ist der Service mit Inbetrieb­nahmen, Kalibrierungen und Wartungen Routine. Begriffe wie „Reparatur“, „Problem“ oder „Austausch“ in den Berichten kön­nen indes auf herstellungsbedingte Ursachen weisen. Allerdings nicht immer: „In höflichen Kulturen wie Japan werden Wartungen manchmal als Reparatur dokumentiert. Andere Kulturen wieder­ um bezeichnen eine Reparatur als Wartung“, sagt Enrico De Stasio, Head of Corporate Quality, Lean and IT. All diese Feinheiten bezieht die Anwendung inzwischen mit ein. „Der Kontext ist entscheidend“, betont Thomas Fricke, Head of Division Marketing Services. „Wir haben unsere KI mit 15.000 Fällen trainiert, heute erkennt sie die relevanten Fälle zu 95 Prozent, die dann von unse­ren Experten im Haus weiter überprüft und eingeengt werden. Und mit jedem Fall lernt das Tool dazu.“

WERTVOLLE HINWEISE

Bislang ist es noch zu keinem Rückruf gekommen. Aber die An­wendung stiftet vielerlei Nutzen. „Wir können im Markt beobach­ten, ob kleinste Änderungen im Herstellprozess unerwünschte Auswirkungen haben“, sagt Enrico De Stasio. Zudem haben alle Mitarbeitenden von Endress+Hauser Zugriff auf Product Lens. Denn die Analysen sind für die Produktion ebenso interessant wie für die Entwicklung oder den technischen Support: Die Serviceleute können so bei neuen Fällen rascher auf die richtige Spur kommen. „Wenn ein Messgerät nur bei einem Kunden ein Problem zeigt, aber ansonsten zigtausend Mal reibungslos läuft, dann geht es vermutlich um einen Anschluss­ oder Bedienfehler“, erklärt Thomas Fricke.