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Saubere Arbeit

In gerade einmal zwei Jahren hat der Chemiekonzern Chemours in Texas eine neue Anlage für klimafreundliche Kältemittel errichtet – von den ersten Plänen bis zur Inbetriebnahme. Dass alles so schnell und reibungslos klappte, liegt auch an der engen Zusammenarbeit im Projekt.

Fragen: Martin Raab
Fotographie: Andreas Mader
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Rechts und links der Straßen nach Ingleside erstrecken sich Baumwollfelder. Es kann heiß und drückend werden im Süden von Texas. Von Mai bis September steigt das Thermometer im Schnitt über 30 Grad Celsius; dazu ist die Luft feucht am Golf von Mexiko. Es mag Zufall sein, dass der Chemiekonzern Chemours gerade hier, unweit der Hafenstadt Corpus Christi, Kältemittel herstellt – aber wer in Gegenden wie diesen mit dem Auto unterwegs ist, wird den Komfort einer Klimaanlage zu schätzen wissen.

Aber der ökologische Fußabdruck der seit vielen Jahren eingesetzten Kältemittel musste verbessert werden. Das unter dem Handelsnamen Opteon vertriebene neue Kältemittel von Chemours hat ein vielfach niedrigeres Treibhaus- und Ozonabbau-Potenzial als die bisher üblichen Produkte. Mit einer neuen Anlage in Ingleside hat das Unternehmen seine Produktionskapazität auf einen Schlag verdreifacht. Und trifft damit auf die wachsende Nachfrage von Herstellern in aller Welt, die Klimaanlagen in Autos, Häusern, Büros und Betrieben umweltfreundlicher machen möchten.

Willis Haviland Carrier (1876–1950) gilt als Erfinder der modernen Klimaanlage

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Druck vom Markt

Für Chemours ist Opteon ein Schlüsselprodukt; ein Produkt zumal, das eine tragende Säule der Nachhaltigkeitsstrategie darstellt. „Wir haben gewusst: Wenn wir HFO-1234yf herstellen, werden wir es auch verkaufen“, erzählt Robert K. Endres in seinem Büro auf dem Werksgelände. Der Elektroingenieur zählte zu den ersten Mitarbeitenden im Projektteam, verantwortlich für Energieverteilung, Prozesssteuerung, Sicherheitseinrichtungen und Prozessinstrumentierung. Unter diesem Namen allerdings kennt ihn kaum jemand – alle rufen ihn mit den Initialen seiner Vornamen, weshalb auch auf seiner Visitenkarte „Arkey“ prangt.

300 Millionen US-Dollar hat Chemours in die neue Produktion investiert. Der rasche Bau hatte oberste Priorität. Zwischen der Entscheidung, die Anlage zu bauen, und der Inbetriebnahme lagen kaum mehr als zwei Jahre. „In unserer Welt ist das sehr schnell“, betont Arkey Endres. Wie in jedem Projekt war es Aufgabe der Ingenieure, auf Zeit, Qualität und Kosten zu achten. „Unser Hauptaugenmerk hat in diesem Projekt aber ganz klar der Zeitschiene und den Qualitätsfragen gegolten.“ 

Arkey Endres brachte früh die Anforderungen der Verfahrenstechnik ein. Denn nicht genug, dass die Anlage im Weltmaßstab in ungewöhnlich kurzer Frist errichtet werden sollte – Chemours stellt die Verbindung in Ingleside erstmals nach einem abgewandelten Verfahren her. Die chemischen Reaktionen sind komplex, außerdem gibt es bewegliche Teile im Prozess. Das alles stellt hohe Ansprüche an Material und Technik. Zudem investiert das Unternehmen langfristig. „Die Anlage soll schließlich nicht fünf Jahre laufen, sondern fünfzig!“ formuliert es Arkey Endres. Im Zweifel setzt Chemours deshalb die leistungsfähigere Technologie, das höherwertige Material ein. „Aber wir möchten einen Mehrwert für unser Geld.“

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Auf Knopfdruck bereit: Patrick White leitete das Projektteam von Endress+Hauser.

Enge Begleitung

Der angebotene Mehrwert war entscheidend dafür, dass Endress+Hauser den Auftrag für die Instrumentierung erhielt. „Wir haben vorgeschlagen, frühzeitig einen unserer Ingenieure ins Projektteam einzubetten“, erzählt Patrick White, der das Endress+Hauser Team für die Akquisition und Abwicklung des Projekts leitete. Als Strategic Account Manager war er jahrelang der erste Ansprechpartner für Du Pont und später Chemours; inzwischen leitet er das strategische Account Management der Gruppe für die chemische Industrie.

Bei vielen Gewerken einer neuen Produktionsanlage sind eingebettete Ingenieure längst üblich – „nicht aber, wenn es um die Messtechnik geht“, sagt Patrick White. „Deshalb brauchen wir das Vertrauen der Kunden.“ Eine lange und gute Beziehung hilft. Das war bei Chemours der Fall. „Endress+Hauser ist seit über zehn Jahren auf unserer Lieferantenliste“, führt Arkey Endres ins Feld. „Das ist durchaus eine Leistung, denn es ist kein Selbstläufer. Unsere Lieferanten müssen sich das immer wieder erarbeiten.“

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1938 brachte der US-Hersteller Nash das erste Auto mit Klimaanlage auf den Markt

High-tech und Know-how

Mehr als 2.000 Instrumente von Endress+Hauser sind in der neuen Opteon-Anlage von Chemours verbaut. Neben Geräten für Durchfluss, Füllstand, Druck und Temperatur lieferte Endress+Hauser auch die Flüssigkeitsanalyse, die das Unternehmen bisher meist von einem Wettbewerber bezog. „Weil es dabei um Messungen geht, die für den Prozess kritisch sind, hat unsere digitale Memosens-Technologie den Kunden überzeugt“, sagt Howard Siew, Branchenmanager Chemie bei Endress+Hauser in den USA. 

Endress+Hauser hat schon bei etlichen großen Projekten Erfahrungen mit eingebetteten Ingenieuren gesammelt. „Sie bringen in wichtigen Phasen der Anlagenplanung ihre Kompetenz in der Instrumentierung ein und halten den Kontakt zum Kern des Projektteams“, erklärt Howard Siew das Konzept. Im Falle der neuen Opteon-Anlage von Chemours saß der Endress+Hauser Ingenieur bei einem Anlagenbauer an der Ostküste der USA. Er bestimmte die geeignete Messtechnik für die jeweilige Aufgabe, gab Empfehlungen auf Grundlage von Erfahrungen in ähnlichen Anwendungen und legte die Geräte für jede Messstelle passend aus.

„Ohne die Unterstützung von Endress+Hauser wäre unsere neue Anlage später in Betrieb gegangen.“

Arkey Endres

Spezialist für Produktionstechnik bei Chemours

Mann bei der Arbeit

Technik und Wissen: Howard Siew kennt die Bedürfnisse der Chemiebranche.

Reibungsloses Zusammenspiel

Neben der Kompetenz war es auch die Präsenz von Endress+Hauser, die Arkey Endres beeindruckte. „Gleich zu Beginn hatte ich gesagt: Ich weiß, dass Ihr noch andere Kunden habt. Aber in diesem Projekt müsst Ihr so tun, als hättet Ihr nur uns.“ Projektmanager kümmerten sich über sämtliche Phasen um die Abwicklung und koordinierten die Arbeit aller Beteiligten an der Ostküste und in der Golfregion, einschließlich der beiden Repräsentanten Vector Controls and Automation Group und Eastern Controls. „Der Kunde“, sagt Patrick White stolz, „hat nichts davon mitbekommen, dass so viele Menschen und Teams involviert waren.“

„Die gute und enge Zusammenarbeit hat viel Druck von uns genommen“, betont Arkey Endres. „Und das zu einer Zeit, als andere Dinge unsere Aufmerksamkeit erfordert haben.“ Weil ein Lieferant unerwartet absprang, wurde die Fertigung eines Vorprodukts noch kurzfristig in die Anlage integriert. „Das hat das Projektvolumen auf einen Schlag um 20 Prozent erhöht“, sagt der Chemours-Ingenieur. Auch hier lieferte Endress+Hauser die Instrumentierung und leistete Support.

Traditionsreicher Standort: Chemours fertigt seit 1971 in Ingleside, Texas.

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3,6 Milliarden Kühlgeräte und -anlagen werden weltweit betrieben; 2050 sollen es bis zu 14 Milliarden sein

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Das Treibhauspotenzial typischer Fluorkohlenwasserstoff-Kältemittel ist im Vergleich zu CO21.500- bis 4.000-mal größer.

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Wertvolle Unterstützung

Zum Gesamtpaket gehörte auch die Inspektion aller Instrumente bei Endress+Hauser in Greenwood, Indiana. Jedes einzelne Gerät wurde darauf kontrolliert, ob es den Spezifikationen entspricht, korrekt funktioniert und richtig konfiguriert ist. „Das hat uns enorm viel Zeit gespart bei der Inbetriebnahme“, ist Arkey Endres überzeugt. Servicetechniker halfen beim Kommissionieren der Instrumente und bei der Systemintegration. Dazu wurde das Betriebspersonal von Chemours von Endress+Hauser in Houston auf einer Übungsanlage geschult, die mit dem gleichen Kommunikationsprotokoll arbeitet wie das Werk in Ingleside.

Für Arkey Endres steht fest: „Ohne die umfassende Unterstützung von Endress+Hauser – den eingebetteten Ingenieur, die Abnahme der Geräte, die Schulungen – wäre unsere neue Anlage vermutlich später in Betrieb gegangen. Diese ganze Unterstützung war äußerst wertvoll für uns. Auch wenn ich den Nutzen nicht in Zahlen fassen kann – wenn ich wieder so ein Projekt machen müsste, wäre meine Empfehlung: Lasst uns mit einem eingebetteten Ingenieur arbeiten!“

Mission erfolgreich: Arkey Endres und sein Team schlossen das Projekt fristgerecht ab.

Mission erfolgreich: Arkey Endres und sein Team schlossen das Projekt fristgerecht ab.

Umweltfreundliche Lösung

Unter dem Handelsnamen Opteon vertreibt Chemours Kältemittel für Kfz-Klimaanlagen sowie Kältemittelgemische, die in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz kommen. Bei Opteon YF (auch HFO-1234yf oder – chemisch exakt – 2,3,3,3-Tetrafluorpropen) handelt es sich um eine Verbindung aus der Stoffgruppe der Hydrofluorolefine. Im Gegensatz zu chlorhaltigen Kohlenwasserstoffen schädigt es die Ozonschicht nicht. Sein Treibhauspotenzial ist etwa gleich groß wie jenes von Kohlendioxid – 99,9 Prozent niedriger als das der herkömmlichen Produkte, die es ersetzt.

Unter Kontrolle: 2.000 Endress+Hauser Messgeräte unterstützen den Betrieb.

Unter Kontrolle: 2.000 Endress+Hauser
Messgeräte unterstützen den Betrieb.