KI schließt die Lücke

Kunststoffabfälle schaffen es heute als Rezyklate nur selten in hochwertige neue Produkte. Forscher wollen ihnen mit Hilfe von Echtzeitanalytik und KI zu einem zweiten Leben verhelfen.

Text: Christine Böhringer
Illustration: 3st kommunikation
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In Europa dreißig Prozent und weltweit nur neun Prozent: Um von einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zu sprechen, sind bei Kunststoffen die Recyclingquoten noch zu gering. Ein Grund dafür ist, dass Verarbeiter für das gängige mechanische Recycling sortenreine und saubere Abfallströme brauchen. Als Eingangsmaterial erhalten sie jedoch­ einen Mix vielfältiger, oft verunreinigter Kunststoffe. Trotz modernster Technologien beim Sortieren, Zerkleinern und Waschen sind im geschmolzenen Material oft noch unterschiedliche Kunststoffe, Verunreinigungen und Fremdstoffe. Daher schwankt in vielen Fällen die Qualität des Rezyklats und genügt nicht immer, um daraus wieder hochwertige Produkte herzustellen.

„Derzeit haben wir nicht die notwendigen Analysewerkzeuge, um während des Verarbeitungsprozesses zu ermitteln, welche Bestandteile der mechanisch recycelte Kunststoff genau enthält“, erklärt Dr. Bernhard von Vacano, Leiter des Forschungsprogramms Plastics Circularity bei BASF. Diese Information braucht es aber, um die Qualität von Kunststoffabfällen bewerten und verbessern zu können. „Denn dann können wir in Zukunft mehr mechanisch recycelte Kunststoffe zur Herstellung hochwertiger Produkte verwenden und den Recyclingprozess effizienter und nachhaltiger gestalten“, so Bernhard von Vacano.

Eine Lösung könnte das vom Bundesministerium für ­ Bildung und Forschung geförderte Projekt SpecReK bieten. Hier arbeitet BASF mit Endress+Hauser, der TechnoCompound GmbH sowie den Universitäten in Bayreuth und Jena zusammen. „Gemeinsam möchten wir eine Echtzeitanalytik in Verbindung mit KI für diese Anwendung entwickeln. Die Grundlage dafür bildet Raman-Spektroskopie“, sagt Patrick Ehlers. Er arbeitet im Endress+Hauser Optics Hub in Freiburg an optischen Technologien und vertritt Endress+Hauser gemeinsam mit Jürgen Dessecker bei diesem Projekt.

DIE MISCHUNG MACHT’S

Mit dem Raman-Verfahren lässt sich kontinuierlich inline die chemische Zusammensetzung von Flüssigkeiten, Feststoffen und Gasen bestimmen, qualitativ und quantitativ. Damit ist es ideal für die Analyse sich schnell ändernder und gemischter Stoffe; auch Verunreinigungen werden erkannt. „Vor diesem Hintergrund werden unsere Raman-Systeme bereits in vielen Branchen genutzt, um Prozesse anzupassen und so eine gleichbleibend hohe Produktqualität sicherzustellen. Auch beim mechanischen Kunststoffrecycling könnten sie vielleicht in Verbindung mit KI einen Unterschied machen“, sagt Patrick Ehlers.

SO SOLL DAS MECHANISCHE RECYCLING VERBESSERT WERDEN:
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Der Kunststoffabfall wird zuerst sortiert, zerkleinert und gewaschen. Danach ist er bereit für den Extruder, um dort geschmolzen, homogenisiert und neu granuliert zu werden.

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Vor dem Extruder bestimmt Raman-Spektroskopie in Echtzeit, aus welchen Kunststoffsorten, Zusatzstoffen und Verunreinigungen sich das Material zusammensetzt.

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Ein KI-Algorithmus erkennt Muster in den Messdaten und schlägt vor, was getan werden sollte, um die Qualität des Kunststoffs den Anforderungen entsprechend zu verbessern.

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Um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen, werden Additive oder Füllstoffe zugesetzt oder der Recyclingprozess angepasst. Das entstandene Granulat wird wieder durch Raman-Spektroskopie analysier.