„Der Klimawandel beschäftigt alle Generationen“

Der Klimaschutz fordert die Industrie heraus – und ist zugleich ein Treiber der Innovation. Der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller und Matthias Altendorf, CEO von Endress+Hauser, beleuchten das Thema.

Fragen: Martin Raab
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Herr Brudermüller, Herr Altendorf, in vielen Ländern geht die junge Generation für Klima- und Umweltschutz auf die Straße. Wie beurteilen Sie die Proteste? 

Brudermüller: Der Klimawandel ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Jugend fordert die Gesellschaft auf, mehr zu tun. Das kann ich nachvollziehen, schließlich geht es um ihre Zukunft. Nach meiner Wahrnehmung beschäftigt der Klimawandel aber alle Generationen. Jüngere wie ältere Mitarbeiter setzen sich mit diesem Thema auseinander. Sie sind davon überzeugt, dass wir als Chemieunternehmen mit unseren Innovationen einen großen Beitrag für den Klimaschutz leisten können.  

Altendorf: Die Proteste zeigen, wie sehr das Thema die Menschen bewegt. Dahinter steckt aber auch eine Entwicklung, die schon länger zu spüren ist. In Gesprächen mit Bewerbern wird die Frage nach Sinnhaftigkeit der Arbeit immer wichtiger. Sie suchen „gute“ Arbeitgeber, und „gut“ bezieht sich dabei auch auf den Beitrag zum Wohlergehen der Allgemeinheit. 

 

Worin besteht dieser Beitrag bei Endress+Hauser? 

Altendorf: Wir helfen unseren Kunden, ihre Produkte und Produktionen zu verbessern – und das in vielen wichtigen Bereichen des täglichen Lebens. Unsere Kunden stellen sicher, dass wir sauberes Wasser trinken und uns gesund ernähren können, dass wir über wirksame Arzneien verfügen und unsere Infrastrukturen zuverlässig funktionieren. Wir unterstützen Kunden wie die BASF dabei, wichtige Chemieprodukte mit weniger Energie und Rohstoffen in gleichbleibend hoher Qualität zu produzieren, dabei weniger Schadstoffe auszustoßen und Mensch und Umwelt nicht zu gefährden. 

 

Wie sieht das bei BASF aus? 

Brudermüller: Wir wollen zu einer Welt beitragen, die eine lebenswerte Zukunft mit besserer Lebensqualität für alle bietet. Mit unseren Kunden und Partnern arbeiten wir daran, vorhandene Ressourcen bestmöglich zu nutzen. Uns geht es um Innovationen, die für Mobilität, Energieerzeugung, Transport, Ernährung oder Wohnen für mehr Effizienz sorgen und Emissionen verhindern oder reduzieren. Ein Beispiel ist die Elektromobilität. Nur mit einer leistungsfähigeren Batterie wird das funktionieren. Unsere Forscher arbeiten an den Batteriematerialien der Zukunft.  

 

Die chemische Industrie ist aber zugleich selbst ein großer Emittent von Treibhausgasen. Was können Sie da tun? 

Brudermüller: In unserer Unternehmensstrategie ist der Klima- und Umweltschutz fest verankert. Wir haben uns vorgenommen, bis 2030 klimaneutral zu wachsen. Für unsere Branche, die ja sehr energieintensiv ist, ist das ein sehr ambitioniertes Ziel. Gleichzeitig senken wir den CO2-Ausstoß in unserer Produktion. Seit 1990 haben wir unsere Treibhausgasemissionen um die Hälfte reduziert – und konnten dennoch unsere Produktion mehr als verdoppeln. Das haben wir geschafft, indem wir immer effizienter wurden. Aufgrund des Erreichten werden weitere Einsparungen aber zunehmend schwieriger. Unsere Forscher arbeiten daher mit Hochdruck an grundlegend neuen, CO2-armen Technologien und Verfahren. Ich bin zuversichtlich, dass wir innovative Lösungen hinbekommen. Unser oberstes Ziel ist dabei: Wir wollen CO2-Emissionen gar nicht erst entstehen lassen. 

„Wir wollen zu einer Welt beitragen, die eine lebenswerte Zukunft mit besserer Lebensqualität für alle bietet.“

Dr. Martin Brudermüller

Vorstandsvorsitzender BASF SE

Dr. Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender BASF SE
ZUR PERSON

Der Anpacker

Dr. Martin Brudermüller (59) ist seit 2018 Vorstandsvorsitzender und zugleich Chief Technology Officer (CTO) von BASF SE. Der promovierte Chemiker stieß nach dem Studium in Karlsruhe und einem Postdoc-Aufenthalt in Berkeley 1988 zum Chemieunternehmen. Dort führte ihn seine Karriere über Stationen in Ludwigshafen, Mailand und Hongkong vom Ammoniaklabor bis in den Vorstand (2006). Martin Brudermüller wird als zupackend, fordernd, aber auch den Menschen zugewandt beschrieben. Der Hobby-Handwerker ist Vater von erwachsenen Zwillingen. Ursprünglich wollte er einmal Chirurg werden, weil er gerne mit den Händen arbeite. Er entschied sich dann aber für die Chemie.

BASF hat den Anspruch, führender Anlagenbetreiber zu sein. Was bedeutet dies?

Brudermüller: Wir wollen das weltweit führende Chemieunternehmen für unsere Kunden sein. Ganz wichtig ist dabei, dass wir unsere Anlagen sicher, effizient und zuverlässig betreiben. Um Services wie beispielsweise Engineering- und Maintenance-Leistungen besser mit der Produktion zu verzahnen, haben wir Teile der betriebsnahen Services organisatorisch neu aufgestellt. Betriebsnähe und starke Produktionsteams sind das Ziel. Produktionserfolg ist ein Teamerfolg.

 

Und wie kann Endress+Hauser hierbei unterstützen?

Altendorf: Wir haben Produkte, Lösungen und Dienstleistungen, die auf die Bedürfnisse der chemischen Industrie zugeschnitten sind. Damit können wir Kunden helfen, ihre Herausforderungen zu meistern. Anlagenverfügbarkeit, Sicherheit, Effizienz und der ökologische Fußabdruck sind die großen Themen der Branche. Seit gut 20 Jahren bieten wir Lösungen für das Life-Cycle-Management. BASF war einer der ersten Kunden dafür. Mit dem industriellen Internet der Dinge, gewinnt das Ganze noch einmal eine neue Dynamik. Wir können die Daten aus den Feldgeräten und dem Prozess heute viel einfacher auslesen, verarbeiten und mit anderen Informationen verknüpfen. Damit lassen sich die Geschäftsprozesse im Unternehmen optimieren, aber auch ganze Wertschöpfungsketten über Unternehmensgrenzen hinweg. An solchen Lösungen arbeiten wir auch gemeinsam mit BASF.

 

Herr Brudermüller, Sie sind bei BASF als Chief Technology Officer auch für Forschung und Entwicklung verantwortlich und möchten das Unternehmen noch innovativer machen. Wie möchten Sie das erreichen?

Brudermüller: Unsere Forschung und Entwicklung ist das Herzstück von BASF. Innovationen haben uns zum weltweit führenden Chemieunternehmen gemacht. Was wir in unserem Unternehmen unter einem Dach alles an Wissen, Erfahrungen und Ressourcen vereinen, darauf sind wir stolz. Unsere organisatorischen Veränderungen helfen uns dabei, die Bedürfnisse unserer Kunden noch besser zu verstehen. Viele unserer Forscher arbeiten nun sehr viel kundennäher mit Kollegen aus dem Marketing, der Produktion und dem Vertrieb zusammen. Unser Ziel ist klar: Wir wollen schneller kreative Lösungen für unsere Kunden entwickeln.

Altendorf: Deshalb kaufen Kunden bei BASF, deshalb kaufen Kunden bei Endress+Hauser. Wenn wir in unserer Mission sagen, wir unterstützen unsere Kunden, ihre Produkte zu verbessern und sie noch effizienter herzustellen, dann geht es genau um diesen kompetitiven Aspekt der Innovation. Viele dieser Innovationen entstehen in Kollaboration mit Kunden, mit Partnern. Wir lernen gerade in der engen Zusammenarbeit mit unseren großen Kunden viel über deren Bedürfnisse; unsere Lösungen für die Industrie 4.0 entwickeln wir im ständigen Dialog mit Pilotkunden. BASF ist hier ein Vorreiter, wenn es um Ethernet im Feld geht und um die Integration von Prozessdaten ins ERP-System.

„Viele Innovationen entstehen in Kollaboration mit Kunden“, sagt Matthias Altendorf, CEO der Endress+Hauser Gruppe.

Matthias Altendorf, CEO der Endress+Hauser Gruppe

Welche Bedeutung haben für Sie Kontraktoren und was erwarten Sie von Ihnen?

Brudermüller: Seit Jahrzehnten leisten Fachfirmen und externe Spezialisten einen großen Beitrag zum Erfolg von BASF. Bei der Auswahl haben wir sehr hohe Standards. Nur wenn die Firma unseren Anforderungen entspricht und sie ihre Leistung sicher und in hoher Qualität erbringt, kann sie für uns tätig werden. Mit bewährten Kontraktoren arbeiten wir in der Regel lange zusammen.

Altendorf: BASF und uns verbindet eine der längsten und intensivsten Kundenbeziehungen in der chemischen Industrie. Das Unternehmen ist heute weltweit einer unserer größten Kunden. Für mich ist aber nicht das Volumen so bemerkenswert. Sondern dass sich über die Zeit eine enge und vertrauensvolle Partnerschaft entwickelt hat. Ich selbst habe bei BASF in Ludwigshafen durch viele Besuche mein verfahrenstechnisches Wissen stark erweitert. Wir haben in den gemeinsamen Projekten viel voneinander gelernt. Aus dieser Partnerschaft ist viel Gutes für die chemische Industrie im Bereich Messtechnik und Automation entstanden.

 

Herr Brudermüller, Sie haben Ihr ganzes Berufsleben bei BASF verbracht. Was tun sie, um nicht betriebsblind zu werden?

Brudermüller: Ich arbeite seit über dreißig Jahren für BASF. Vom Labor über das Marketing bis hin zur Produktion habe ich alles kennengelernt. Mit jeder neuen Station waren neue Aufgaben und neue Anforderungen verbunden. Da ich immer wieder Neues kennengelernt habe – Menschen, Aufgaben, Länder –, war ich nie in der Gefahr, betriebsblind zu werden. Und die Chemie begeistert mich nach wie vor. Ich finde es einfach spannend, Neues zu entdecken, Produkte besser zu machen und Innovationen voranzutreiben!

 

Herr Altendorf, Sie arbeiten ebenfalls seit über 30 Jahren im Unternehmen. Wo holen Sie sich die nötigen Impulse?

Altendorf: Ganz wichtig ist mir die Anregung von außen. Ich bin geschäftlich in der ganzen Welt unterwegs und treffe mich mit vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen: mit Kunden, unseren eigenen Leuten, Kollegen aus der Branche, Vertretern von anderen Firmen. Spannend ist auch der Austausch mit jungen Menschen, mit unseren Auszubildenden oder Studenten an den Hochschulen. Für mich elementar ist zu sehen, was außerhalb unserer Branche passiert. Ich nehme mir immer wieder ganz bewusst Zeit, um Neues zu lernen, mich weiterzubilden. Das gibt mir persönlich viel – und ich nehme viel mit für die Arbeit!

Der Chemiegigant

BASF ist, gemessen am Umsatz von 59,3 Milliarden Euro (2019), der weltweit größte Chemiekonzern. Das Unternehmen wurde 1865 in Mannheim gegründet; heute ist Ludwigshafen der Stammsitz. BASF beschäftigt 122.000 Mitarbeitende und betreibt mehr als 360 Produktionsstandorte in über 90 Ländern. Das Portfolio – Überschrift: „Chemie für eine nachhaltige Zukunft“ – umfasst chemische Grundprodukte wie Ethylen, zahlreiche Kunststoffe, Industriechemikalien, Nahrungsmittelzusätze wie Vitamine, Kosmetik- und Pharmavorprodukte sowie Pflanzenschutzmittel und Saatgut. Kuriosität am Rande: Als Teil der Gastronomie in Ludwigshafen ist der Weinkeller der BASF eines der großen Weinhandelshäuser Deutschlands.